Liebst du mich wirklich, Raoul
Körpers durch die Bewegung und den Stoff ihrer Kleider neu stimuliert wurde. Das war ein Albtraum, besonders dann, wenn man sich vorgenommen hatte, möglichst unauffällig aufzutreten …
Endlich saß sie ihrerseits in einem Stuhl und umklammerte mit beiden Händen ein Glas, in denen dicke Eiswürfel in einer roten Flüssigkeit vor sich hindümpelten.
„Enrique mixt einen regelrecht tödlichen Sangria“, informierte er sie. „Traust du dir den zu?“
Sie zuckte die Achseln. „Warum nicht?“
Im Moment konnte sie jedes betäubende Mittel gebrauchen, um die nächsten Stunden zu überstehen – oder wie lange ihr Aufenthalt auf diesem Schiff auch dauern mochte.
Ich wünschte, ich könnte einfach einschlafen und irgendwann in London wieder aufwachen, dachte Rhianna. Mich wenigstens einigermaßen sammeln. Einen Plan für mein Leben und meine Zukunft formen. Einen neuen Traum finden, wenn das überhaupt möglich war.
Aber in der Zwischenzeit …
„Hast du noch mehr Delfine gesehen?“, erkundigte sie sich beiläufig.
„Leider nein, aber bestimmt treiben sie sich in der Nähe herum, um noch einmal einen Blick auf dich zu werfen“, antwortete er. „Mir gefällt dein Kleid.“
„Das hast du vorher schon einmal gesehen.“
„Aha. Aber da war ich möglicherweise nicht in der richtigen Stimmung, es bewundernd zur Kenntnis zu nehmen.“
Angesichts seiner gestelzten Worte zog sie die Augenbrauen hoch und sparte sich eine Antwort. Stattdessen nahm sie einen großen Schluck Sangria.
„Vorsicht!“, warnte er sie. „Nicht, dass du mir nachher ohnmächtig wirst.“
Auch darauf wusste Rhianna nichts Passendes oder gar Geistreiches zu sagen. Ratlos starrte sie auf die Tischplatte vor sich und zerbrach sich den Kopf über ein möglichst neutrales Thema.
„Was machen wir eigentlich morgen, wenn wir in Puerto Caravejo sind?“, fragte sie.
„Ich wollte dir mein Haus zeigen.“
„Meine Güte! Du besitzt also auch ein Schloss in Spanien?“
„Erwartest du das von mir?“, konterte er trocken. „In diesem Fall muss ich dich leider enttäuschen. Es handelt sich eher um ein mittelgroßes Landhaus, das, im Gegensatz zu unseren Familienanwesen in den Asturias, den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Seitdem ist es zwar ausgebaut worden, dennoch kann man es eher als komfortabel bezeichnen – nicht gerade als luxuriös.“
„Verbringst du viel Zeit dort?“
„Nicht genug, wenn es nach mir geht“, erwiderte er aufrichtig. „Aber das wird sich ändern, sobald ich die Ländereien in Südamerika abgestoßen habe.“
Verwundert stellte sie ihr Glas ab. „Ich dachte, das wäre dein richtiges Zuhause. Dass du dort den Großteil deines Lebens verbringst.“
„So war das bisher. Aber vor einiger Zeit habe ich beschlossen, mein Leben etwas zu vereinfachen. Es macht keinen Spaß mehr, ständig von einem Ende der Welt zum anderen zu hetzen. Die natürlichen Mineralvorkommen sind ohnehin allmählich erschöpft, deshalb kann das Land fortan für andere Zwecke genutzt werden.“
„Aber wird dir das Reisen nicht fehlen?“
Er zuckte die Achseln. „Ich kann immer noch reisen, so viel ich mag, um meine Teams weltweit persönlich zu unterstützen. Aber hauptsächlich möchte ich mich in Spanien niederlassen, Apfelplantagen pflanzen, vielleicht sogar Wein anbauen. Den Rioja, den wir zusammen getrunken haben, habe ich von einem Freund bekommen. Und der möchte mir gern das Handwerk eines Winzers zeigen. Ich werde also in mancher Hinsicht beschäftigter sein als vorher.“ Er dachte kurz nach. „Und dann ist da noch das Rückgewinnungsprojekt von Penvarnon.“
„Rückgewinnungsprojekt? Was soll das denn bedeuten?“, erkundigte sie sich leicht besorgt. Ein beängstigendes Gefühl, Raoul nicht in Zukunft sicher im fernen Südamerika zu wissen!
„Ich habe vor, es mir wieder richtig anzueignen. Ich will mehr Zeit dort verbringen, es zu meinem Zuhause machen. Die jetzige Situation habe ich nur deshalb auf unbestimmte Zeit zugelassen, weil sie mir gelegen kam. Mein Onkel hat das auch immer verstanden, und er ist eher erleichtert, dass er umziehen kann. Im Grunde war er nie glücklich dort.“
Ohne zu überlegen, sagte Rhianna: „Penvarnon war nie ein Ort des Glücks.“
„Nein“, stimmte Raoul nach einer Pause zu. „Noch etwas, das ich unbedingt ändern will.“ Seufzend lehnte er sich auf dem Stuhl zurück. „Da wir schon einmal so offen und ungezwungen miteinander reden, mein Schatz, kannst du mir endlich etwas
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