Liebst du mich wirklich, Raoul
über deine tränenreiche Freundin Donna Winston erzählen. Mich interessiert besonders, wie lange die beiden schon miteinander geschlafen haben, ohne dass du ein Wort darüber verloren hast. Dein Schweigen musst du mir schon genauer erklären.“
10. KAPITEL
Eine Weile blieb Rhianna stumm.
„Woher wusstest du, dass es Donna war?“
„Das ist mir schon vorhin klar geworden“, gestand er. „Als ich unter der Dusche stand. Das ist übrigens ein herrlicher Ort, um den Kopf freizubekommen und die eigenen Gedanken zu ordnen.“ Er verzog den Mund. „Ich habe also ganz einfach zwei und zwei zusammengezählt und bin erstaunlicherweise auf die richtige Antwort gekommen.“
Ungeduldig fuhr er sich durch die Haare. „Wie konnte ich auch so dumm sein? In der Nacht, als ich sie sah, habe ich doch selbst schon vermutet, dass sie Ärger mit einem Mann hat. Und du hast dem halbherzig zugestimmt. Allerdings wusstest du damals schon, was vor sich ging, Rhianna. Du wusstest es sogar ganz genau, und hast trotzdem keinen einzigen Ton gesagt. Im Gegenteil, du hast diese Affäre noch unterstützt, indem du ihnen dein Apartment zur Verfügung gestellt hast.“
„Niemals!“, fuhr sie dazwischen und sah ihm direkt in die Augen. „Und ich habe nicht von Anfang an Bescheid gewusst. Eines Abends haben wir Simon zufällig in einer Pizzeria getroffen, und er hat sich regelrecht aufgedrängt, um noch einen Kaffee bei uns zu trinken. Zu diesem Zeitpunkt war mein Verhältnis zu ihm schon stark unterkühlt, und ich habe zugesehen, dass ich ihm tunlichst aus dem Weg gehe. An jenem Abend ließ es sich nicht vermeiden, oder vielleicht bin ich auch blind für die Zwischentöne gewesen, weil mich seine bloße Anwesenheit genervt hat. Vermutlich haben sich die beiden von da an heimlich verabredet.“
Sie schluckte ein paar Mal. „Jedenfalls habe ich sie eines Nachts in flagranti erwischt. Nachdem Simon verschwunden war, hatten Donna und ich einen ernsthaften Streit. Sie behauptete, sich verliebt zu haben. Ich habe versucht, ihr den Kopf zurechtzurücken und sie gebeten, aus meiner Wohnung zu verschwinden. Später aber tat sie mir leid. Immerhin habe ich ihr Simon vorgestellt, und sie dachte wohl, er wäre ein Freund von mir und daher vertrauenswürdig. Ich hatte sie ja nicht über seinen wahren Charakter aufgeklärt. Dann hat sie ihn zur unantastbaren Heldenfigur erhoben, wie man es eben so macht, wenn man jung und dumm ist.“ Hastig biss sie sich auf die Unterlippe. „Da kann man ihr wohl kaum einen Vorwurf machen. Schließlich gab es eine Zeit, da fand ich ihn selbst toll.“
„Das ist mir nicht entgangen“, bemerkte er trocken.
„Wenn du damit auf Carries Geburtstagsparty anspielst, liegst du falsch. Zu jener Zeit war ich schon lange über ihn hinweg.“
„Warum hast du dich dann mit ihm im Stall getroffen?“
„Weil er so tat, als würde Carrie auch dorthin kommen. Ich musste spontan als Kellnerin arbeiten und wollte wenigstens mit meiner Freundin kurz unbeobachtet auf ihren Ehrentag anstoßen. Sonst wäre ich bestimmt nicht zum Treffpunkt gekommen.“ Sie sah auf den Boden. „Mir ist klar, wie das ausgesehen haben muss.“
„Ich habe dir kaum Gelegenheit gegeben, dich zu erklären“, überlegte er laut. „Aber warum hast du mich nicht an dem Abend aufgeklärt, als ich dich mit ihm an deiner Wohnungstür gesehen habe?“
Rhianna seufzte. „Damit hätte ich doch die Büchse der Pandora geöffnet. Die Konsequenzen wären vernichtend gewesen. Außerdem versicherte Simon, es wäre alles aus zwischen ihnen. Dass er seine Lektion gelernt hätte und Carrie die einzige Frau wäre, die ihn interessierte. Und ich … ich wollte das nur zu gern glauben. Ich konnte mich einfach nicht selbst davon überzeugen, dass Carrie ohne ihn glücklicher wäre. Besser dran bestimmt, aber eben nicht glücklich.“ Gequält runzelte sie die Stirn. „Also war ich feige und hoffte, alles würde von selbst ins Reine kommen. Niemand brauchte es zu wissen, dann konnte auch kein Schaden angerichtet werden.“
„Du hast demzufolge nur versucht, den Frieden zu wahren?“
„Nein“, sagte sie schnell. „Das kann ich mir wohl nicht auf die Fahnen heften. Um ehrlich zu sein, hatte ich einfach Angst. Ich kann mir alle möglichen Entschuldigungen ausdenken, es kommt doch immer auf das Gleiche hinaus. Schlichtweg Angst. Wenn ich schwieg, würde Carrie nicht verletzt werden. Ich wollte nicht diejenige sein, die ihr mit der Wahrheit das Herz
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