Liebst du mich wirklich, Raoul
ein, „wie kommt man eigentlich darauf, ausgerechnet Schauspielerin werden zu wollen?“
„Ich wollte das schon immer gern tun“, entgegnete Rhianna, nachdem sie die Tatsache verdaut hatte, dass ihr Gespräch sich jetzt doch auf recht persönlichem Terrain bewegte. „Aber meine Tante hatte andere Vorstellungen von meinem Leben, deshalb gab es nicht viele Möglichkeiten, bis ich nach London zurückgekehrt bin. Dort habe ich eine Abendschule für Theater besucht, und die Dinge nahmen ihren Lauf. Meine Lehrerin fand, ich hätte das gewisse Etwas und arrangierte für mich ein Vorsprechen an der Schauspielschule. Ich bekam einen Ausbildungsplatz und ein Stipendium, von dessen Existenz ich bis dahin gar nichts wusste. Das Paar, bei dem ich gewohnt habe – die Jessops – waren einfach wundervoll zu mir und weigerten sich, auch nur einen Penny zu akzeptieren, so lange ich in der Ausbildung war.“ Gerührt senkte sie den Kopf. „Manchmal stelle ich mir vor, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich nach dem Tod meiner Mutter bei ihnen hätte bleiben dürfen. Sie wollten mich aufnehmen, aber Tante Kezia bestand darauf, mich fortzubringen. Ich habe das nie verstanden, weil sie mich nie gewollt oder auch nur gemocht hat. Das machte sie mehr als nur einmal unmissverständlich klar. Und sie brachte mich an einen Ort, wo ich nicht erwünscht oder willkommen war – obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre.“
„Sie war zweifellos eine sehr seltsame Frau“, stellte er ruhig fest.
„Seltsamer als du glaubst“, bestätigte Rhianna. „Sie hat zum Beispiel diese minderwertigen, überflüssigen Fotos von Menschen gemacht, als käme es ihr darauf an, sie ohne ihr Wissen abzulichten.“
Er hob die Brauen. „Was für Fotos?“
„Von deiner Tante und deinem Onkel“, antwortete sie. „Und von deinem Vater. Viele Bilder waren von ihm.“ Seine Mutter im Rollstuhl oder den merkwürdigen Scheck erwähnte Rhianna nicht. Sie ärgerte sich darüber, überhaupt etwas verraten zu haben.
„Hast du diese Aufnahmen noch?“
„Die Hendersons haben sie hinter einem Schrank in der Personalwohnung entdeckt und mir zukommen lassen.“ Sie verzog das Gesicht. „Mein einziges Erbe von der Familie Trewint.“
„Nicht ganz“, bemerkte er. „Du hast diese atemberaubenden Haare, die wie eine dunkelrote Wolke aussehen. So ein Erbe hält man in Ehren.“
Jetzt werden wir viel zu persönlich, dachte sie und trank eilig ihren Kaffee aus. Dann stand sie auf.
„Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst?“, begann sie höflich. „Ich werde heute lieber früh schlafen gehen. Der Tag morgen wird bestimmt anstrengend.“ Doch als sie den Gang zu ihrer Kabinentür erreichte, befand sich Raoul bereits dicht hinter ihr. „Ich kenne den Weg, danke.“
„Natürlich“, erwiderte er lächelnd. „Aber du hast wohl vergessen, dass mir ein Abschiedskuss versprochen wurde.“
Ihr Puls ging schneller. „Ja, aber erst, wenn wir uns auch endgültig voneinander verabschieden. So habe ich das wenigstens verstanden.“
„Ach, an den Flughäfen herrscht doch immer so eine Hektik“, behauptete er und machte eine abwehrende Handbewegung. „Verwandeln wir ihn in einen Gute-Nacht-Kuss!“
„Nun, wenn du darauf bestehst.“ Wer konnte das schon ablehnen …?
Schließlich ist es nur ein Kuss, sagte sie sich. Wenn ich jetzt eine große Sache daraus mache, merkt er sofort, wie wichtig er mir ist. Je eher er …
„Ja, das tue ich.“ Sein Tonfall klang amüsiert, und er machte Anstalten, ihre Tür zu öffnen.
Erschrocken fuhr sie zu ihm herum. „Du sagtest, einen einzigen Kuss! Das können wir hier und jetzt hinter uns bringen.“
„Habe ich mich wirklich auf eine Zahl festgelegt?“, überlegte er laut und presste übertrieben nachdenklich einen Zeigefinger an sein Kinn. „Ich kann mich gar nicht erinnern.“ Mit einer Hand strich er ihr Haar beiseite. „Du bist wunderschön, Rhianna.“
Dann küsste er sie, bevor sie weiter protestieren konnte. Unendlich langsam, zärtlich, bedeckte er ihr Gesicht mit Küssen – ihren Hals, ihre Schulter.
Rhiannas ergebener Seufzer war lauter, als sie beabsichtigt hatte. Beinahe hätte sie sich die Hand vor den Mund geschlagen. Wie konnte sie Raoul nur so deutlich signalisieren, wie schwach er sie machte?
Doch auch das schien egal zu sein, als er sie fest gegen seinen muskulösen Körper presste. „Wenn das alles ist, was ich von dir bekommen kann, Rhianna, werde ich das Beste daraus machen“, raunte er
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