Liebster Mitbewohner
gut.“ Er griff nach dem Notebook und schlug den Weg zum Bad ein.
„Das war ein Scherz!“, rief ich und folgte ihm.
„Ich weiß.“
„Dann erklär die ganze Sache. Woher kennst du diese Valerie?“ Ich war ja nicht blöd. Deshalb hatte ich einen sehr konkreten Verdacht. Aber vielleicht, ganz vielleicht, hatte ich ja irgendein Detail übersehen und es war alles ganz anders.
„Sie ist meine Ex-Freundin.“ Er betrat das Bad und legte das Notebook in die Badewanne.
Ich schloss automatisch die Tür hinter uns. „Okay.“ Ich ließ die Luft, die ich angehalten hatte, entweichen. Es hätte schlimmer kommen können. Das kleine Präfix „Ex-“ relativierte die ganze Sache. Obwohl: Seit wann interessierte es mich, ob Felix vergeben war oder nicht? Ich hatte einfach nicht damit gerechnet. Ich war überrascht. Sonst nichts. Der Umstand, dass Felix und ich uns vor Valeries Ankunft beinahe geküsst hätten, hatte absolut nichts damit zu tun.
„Ich hab mit ihr Schluss gemacht, bevor ich hier her gekommen bin.“ Felix setzte sich auf den Wannenrand.
„Weiß sie das?“
„Was?“
„Dass du mit ihr schlussgemacht hast. Sie wirkte irgendwie nicht so, als würde sie dich als ihren Ex-Freund betrachten.“
„Ist mir egal, wie sie das betrachtet!“, fuhr er mich an.
Ich hob abwehrend beide Hände. „Wunder Punkt oder wie?“
„Ich will nicht d arüber reden, okay?“
„Ich auch nicht“, log ich. Ich setzte mich neben Felix. Und obwohl wir uns rein physisch wieder so nah waren wie vor Valeries Besuch, wollte dieselbe Nähe einfach nicht wieder aufkommen.
Kapitel 6
Irgendwann verließen wir das Badezimmer, doch keiner von uns konnte die Party noch richtig genießen. Felix verzog sich in irgendeine Ecke und ich bekam ihn den Rest der Nacht kaum noch zu Gesicht. Ich ging in die Küche, wo ich Daniel gerade noch davon abhalten konnte, vom Stuhl zu kippen. Mit Elenas Hilfe schaffte ich es, ihn auf den Küchenboden zu setzen und mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen. Diese Position erschien mir relativ harmlos: Weder konnte er tief fallen noch besonderen Schaden anrichten. Dann erklärte ich Benni in Kurzfassung, was gerade vorgefallen war und schickte ihn los, um nach Felix zu sehen.
Anschließend nahm ich Elena zur Seite und erzählte ihr ebenfalls – allerdings inklusive aller Details – von den Geschehnissen. Als ich geendet hatte, starrte sie mich erst mit offenem Mund an, dann kicherte sie los. „Hab ich’s doch gewusst!“, rief sie so laut, dass ich ihr die Hand vor den Mund halten musste, damit sie nicht die gesamte Party ins Bilde setzte. „Du stehst noch auf ihn“, flüsterte sie, nachdem ich ihren Mund unter warnendem Blick wieder frei gegeben hatte.
„Tu ich nicht! Mal ehrlich, auf Partys knutscht man halt manchmal mit irgendwelchen Kerlen rum. Das macht der Alkohol und die Atmosphäre, hat aber nichts zu bedeuten.“
„Aber Felix ist nicht irgendein Kerl, den du auf der Party kennen gelernt hast.“
„Macht das einen Unterschied?“
„Macht es?“
Ich schürzte die Lippen. „Wahrscheinlich“, gab ich zu.
„Und seine Freundin? Wie sieht die aus?“
„Ex-Freundin. Blond, zierlich, selbst mit hohen Schuhen gerade mal eins fünfundsechzig, würd ich sagen. Und gekleidet wie für ein Business-Meeting: Satin-Bluse, schwarz-grau karierter Rock, schwarze Strumpfhose. Hm, wenn ich es mir recht überlege hat sie einen ganz ähnlichen Kleidungsstil wie du.“
„Also einen guten“, sagte Elena und schaute bekümmert drein. „Das wird nicht einfach für dich.“
„Hey! Mein Kleidungsstil ist auch gut!“
„Welcher Stil? Nur ein Scherz!“, kicherte sie, als ich Anstalten machte, ihr Bier in den Ausschnitt zu kippen. „Mal ehrlich: Nimmst du den Kampf auf?“
„Welchen Kampf? Valerie ist seine Ex – die sind gar nicht mehr zusammen. Außerdem will ich nichts von Felix. Klar, zu einem Kuss hätte ich nicht nein gesagt, weil die Situation interessant war und ich einfach ewig für ihn geschwärmt habe. Aber mehr nicht.“
Elena hob zweifelnd die Augenbrauen.
„Wir sind g erade dabei, Freunde zu werden.“
„Wenn du meinst.“
Ich wusste, dass Elena mir nicht glaubte. Und selbst wenn sie es tat, würde sie es zumindest nicht verstehen. Sie hatte nie eine engere Freundschaft zu einem Mann gehabt. Sie war der felsenfesten Überzeugung, dass das gar nicht möglich war. Ich hatte schon in der Grundschule lieber mit Jungs als mit Mädchen gespielt. Und Daniel und
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