Liebster Mitbewohner
der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.
„Was ist mit dir und Miri? Denkst du nicht, es würde dir helfen, wenigstens ein einziges Mal darüber zu reden?“
„Es ändert nichts, wenn ich darüber rede.“
„Das weißt du doch gar nicht. Vielleicht kann ich dir helfen, dir irgendeinen Rat geben und es kommt alles wieder in Ordnung.“
„Dein Rat kann auch nichts daran machen.“
„Woran machen?“
„Mann, Maja.“ Er stierte wie hypnotisiert in seinen Kaffee. „Daran, dass Miri weggeht.“ Er seufzte und plötzlich schien der Damm gebrochen. „Wie soll das denn funktionieren? Ein Jahr lang Fernbeziehung. Und wir sind noch nicht so lange zusammen. Das klappt doch nie.“
„Warte mal. Wo geht sie denn hin?“
„Kanada.“
„Ka.... Was will sie denn da?“
Daniel ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Alle Kraft schien aus seinem Körper gewichen zu sein. „Was wollen andere Studenten im Ausland? Erfahrungen sammeln, was erleben, andere Menschen kennenlernen. Ich vermute, von allem etwas. Und das ist ihr wichtiger als unserer Beziehung. Ich versteh das nicht. Blickst du da durch? Warum ist es so, dass alles wichtiger ist, als der eigene Partner? Ich hab die letzten Tage viel darüber nachgedacht. Früher war das nicht so. Da war es das wichtigste, überhaupt einen Partner zu finden. Dann wurde geheiratet und die Ehe ging vor. Nicht, dass ich das unbedingt befürworte, aber wieso sind Beziehungen plötzlich so verdammt unwichtig? Warum scheint alles andere – Karriere, Freunde, Hobbies – vor dem Partner zu kommen? Und warum wird das als moderne, erwachsene, coole Einstellung verkauft?“
Ich konnte ihn nur anstarren. Stumm trank ich einen Schluck Kaffee. Wer hätte gedacht, dass mein bester Freund sich derart tiefgründige Gedanken machte? Tja, die Liebe.... „Denkst du nicht, dass du das falsch verstehst? Schließlich will sie ja mit dir zusammenbleiben, oder?“
„Sie wird ein Jahr weg sein und zwar am anderen Ende der Welt. Da ist nichts mit eben mal besuchen. Wenn ich Glück habe , bekomme ich genug Geld zusammen, um im Sommer mal hinzufliegen. Aber das war's auch. Und nun sag du mir, wie du die Chancen einschätzt, dass wir in einem Jahr noch zusammen sind. Und sei bitte realistisch.“
Ich schwieg. Gerne hätte ich ihm gesagt, dass ich viele Leute kannte, deren Beziehung ein Auslandssemester überlebt hatte. Entsprach aber nicht der Wahrheit. Tatsächlich kannte ich ein Ex-Pärchen, das sich schon vorher getrennt hatte und eines, das es zwar geschafft hatte, sich während des Auslandssemesters treu zu bleiben, aber kurz nach der Wiedervereinigung festgestellt hatte, dass sie sich komplett fremd geworden waren.
Daniel interpretierte meinen Blick richtig. „Siehst du?“
Ich wusste ehrlich nicht, was ich sagen sollte. „Wann geht sie denn?“
„In einer Woche.“
„Schon? Aber das wusste sie doch dann vorher. Ihr seid doch erst seit zwei Monaten zusammen!“
„Eben. Sie sagt, sie hätte sich einfach verliebt, komplett ungeplant. Und anfangs wollte sie mir nicht von ihrem Kanadajahr erzählen, weil sie Angst hatte, dass ich dann gar nicht erst eine Beziehung mit ihr anfange.“ Daniels Stimme hatte einen bitteren Tonfall angenommen. Er lachte freudlos auf. „Und ich kann sie nicht mal bitten, ihre Auslandssemester für mich sausen zu lassen. Sowas macht man einfach nicht, oder? Selbstverwirklichung ist schließlich das, was zählt. Und was eine echte, erwachsene Beziehung ist, die muss so was eben aushalten.“
„Okay.“ I ch beugte mich vor. „Hör mal, es kommt dir vielleicht unwahrscheinlich vor, aber vielleicht schafft ihr es doch. Vielleicht ist ja was dran an dem Spruch, dass eine Beziehung eine räumliche Trennung auf Zeit übersteht, wenn man sich nur genug liebt.“
„Ach komm, so naiv bist du nicht, Maja. Und tu nicht so, als wärst du es, nur um mich aufzubauen. Da komm ich mir verarscht vor.“
Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Plötzlich wusste ich, wie Elena sich gestern gefühlt haben musste, als ich weder ihre wahre Meinung noch eine aufgesetzte hatte hören wollen. „Von mir aus. Ich denke, dass so eine Fernbeziehung echt Mist ist. Und dass sich die meisten Menschen ihrem Partner nicht mehr so verpflichtet fühlen, wenn er weit genug weg ist und nicht nachvollziehen kann, mit wem man sich trifft und was man macht. Dazu kommt, dass ihr erst so kurz zusammen seid, euch eigentlich noch in der Kennenlern-Phase befindet und die Verbundenheit
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