Liebster Mitbewohner
Liebeskummer?“
Elena antwortete nicht. Ihre Augen blickten nachdenklich am Fernsehbildschirm vorbei. „Ich glaube, ich sollte sie anrufen.“
„Deine Mutter?“
Elena nickte. „Vielleicht sollte ich sogar zu ihr ziehen. Ich müsste zwar eine Dreiviertelstunde zur Arbeit pendeln, aber so eins, zwei Wochen, bis ich eine neue Wohnung habe, wäre das bestimmt machbar.“
„Okay.“ Ich versuchte, nicht allzu beleidigt zu klingen, doch sah an Elenas Grinsen, dass mir das nicht gelang.
„Es hat nichts mit dir oder der WG zu tun. Sei nicht so ein Mädchen, Maja. Es ist einfach so, dass ich meine Mutter in den letzten Jahren kaum gesehen habe und wenn, dann hat sie meistens über Steffen gemeckert. Wenn es noch mal eine Chance für mich gibt, ein wenig harmonische Zeit mit meiner Mutter zu verbringen, dann jetzt. Frisch nach der Trennung von Steffen. Wahrscheinlich wird sie mich mit Lob überschütten.“
„Und das willst du?“
Elena zuckte mit den Achseln.
„Dann ruf sie an.“
„Bist du jetzt sauer?“
„Soll das ein Scherz sein? Ich bin froh, wenn du endlich weg bist und ich nicht mehr den ganzen Tag fernsehen und essen muss. Ich glaube, ich geh dann erst mal joggen.“
„Witzig.“
Elenas Mutter fuhr zwei Stunden später mit dem Auto vor. Daniel, der inzwischen mit Miri in der WG aufgetaucht war, half ihr, das Koffer-Monster die Stufen hinunter und in den Kofferraum zu wuchten.
Es war das erste Mal, dass ich Elenas Mutter sah. Ich hatte sie mir immer wie eine Art Drachenlady vorgestellt. Genauso energisch und stur wie Elena, nur eben dreißig Jahre älter. Und rein äußerlich war die Ähnlichkeit unverkennbar. Ihr zweifellos schon angegrautes Haar hatte Elenas Mutter dunkelbraun überfärbt. Es war beinahe ebenso dicht wie Elenas, aber zu einem Dutt gebunden. Das dezente Make-Up und die wachen Augen ließen sie eher wie vierzig statt wie Mitte fünfzig wirken. Sie trug einen langen, dunkelroten Rock und eine blaue Bluse. Als sie ausstieg, nahm sie als erstes ihr Kind in die Arme. Mit dieser Geste erinnerte sie mich so sehr an meine eigene Mutter, dass mich eine Woge kleinkindlicher Sehnsucht nach meinen Eltern erfasste.
„Steig ein“, sagte sie sanft zu Elena. Mir und Daniel nickte sie zu.
Elena winkte uns und grinste. „Bis morgen auf der Arbeit.“ Dann stieg sie ein und wirkte dabei wie das kleine Kind, das sie in Gegenwart ihrer Mutter sicher immer noch oft war.
Als das Auto außer Sichtweite war, grinste ich Daniel an. „Und bei dir?“
Er zuckte mit den Achseln, während er sich umdrehte. Ich folgte ihm ins Treppenhaus und die Stufen hoch.
„Ich versuche, deinen Rat zu beherzigen“, warf er mir über die Schulter zu. „Es ist harte Arbeit, aber es gibt auch Erfolgs momente.“
„Hört sich doch gut an.“
„Sprecht ihr über mich?“, fragte Miri mit schelmisch leuchtenden blauen Augen, als wir zur Tür hereinkamen. Ihr dunkelrot gefärbtes Haar hatte sie zu Rastazöpfen geflochten.
„Ja. Daniel hat erzählt, dass du bald nach Kanada gehst.“
„Ja, dachte ich mir, dass er das erzählt hat.“ Sie lächelte gequält.
„Wieso eigentlich-“ I ch wurde von dem durchdringenden Schrillen eines Telefons unterbrochen. „Dein Handy?“, fragte ich.
Miri sah mich an und schüttelte den Kopf.
„Meins ist es auch nicht“, sagte ich und blickte Daniel an.
Der zuckte mit den Achseln.
„Vielleicht hat Elena ihrs hier vergessen. Ich schau mal nach“, rief ich den beiden zu und verschwand in mein Zimmer.
„Halt!“, rief da Daniel plötzlich.
Ich drehte mich um. Das Schrillen hallte weiter munter durch die Wohnung.
„Das ist unser Festnetz-Telefon.“
Ich starrte ihn an. „Wir haben ein Festnetz-Telefon?“
„Ja, Festnetz-Flat , war damals beim Internet-Vertrag schon dabei, also hab ich ein Telefon gekauft. Aber kostenlos ins Festnetz telefonieren kann ich auch mit meinem Handy und ich gebe die Nummer eigentlich nie weiter, also ruft auch nie jemand auf dem Festnetz an.“
Ring. Ring.
„Anscheinend doch“, stellte ich fest. „Willst du nicht rangehen?“
„Wenn ich nur wüsste, wo das verdammte Teil ist!“
Ring. Ring.
„Da ist aber jemand hartnäckig.“ Ich drehte mich horchend um mich selbst. „Es kommt aus dem Schuhschrank, glaub e ich.“
„Hä?“ Daniel folgte meinem Blick. „Das ist doch kein Schuhschrank. Hast du schon mal reingeguckt? Da ist nur Krimskrams drin und...“
„... und das Telefon ?“
Daniel riss bereits die Türen des
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