Liebster Mitbewohner
ändern. Das war schon immer so, aber ich habe es ihr nie gesagt, weil ich das Gefühl hatte, dass sie genau das nicht will: Dass ich mich für sie ändere. Sie hat mir von Alejandro erzählt und wie es ausgegangen ist und dass sie diesen Fehler nie wieder machen will. Deshalb glaube ich immer noch, dass die Trennung einen anderen Grund haben muss. Wenn es aber wirklich nur meine Eigenarten sind, werde ich mit Freude an mir arbeiten, damit sie mit mir und der Beziehung wieder zufrieden sein kann.“
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Mein letzter, nicht vollendeter Satz kam mir nun wie ein Witz vor. Mit dieser Ansprache hatte Steffen allen Grund, sich Hoffnungen zu machen. So langsam verstand ich, was Elena all die Jahre an ihm gefunden hatte. Ich hätte es wissen müssen. Meine beste Freundin hätte sich schließlich nicht mit einem uneinsichtigen Stoffel abgegeben. Andererseits: Genau so hatte Elena ihn meist dargestellt. Wieso hatte sie nicht mehr von Steffens guten Eigenschaften erzählt? Davon, dass er sie abgöttisch liebte und sie mindestens so gut verstand, wie sie sich selbst? Dass er ihre Wünsche kommentarlos akzeptierte?
Ich räusperte mich. „War das alles?“
Steffen nickte.
„Okay, dann... du wirst es ja merken, wenn deine Nachricht irgendetwas an ihrer Meinung ändert.“
Ohne sich zu verabschieden wandte Steffen sich ab.
Ich seufzte kopfschüttelnd und steckte den Haustürschlüssel ins Schloss.
„Ach, eins noch.“ Steffen war nach ein paar Schritten noch einmal stehen geblieben und fixierte mich mit seinen blauen Augen.
„Ja?“
„Du kannst ihr außerdem sagen, dass ich nicht so leicht aufgeben werde. Ich habe keine Ahnung, ob sie will, dass ich um sie kämpfte oder tatsächlich einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. Aber ich liebe sie und ich werde nichts unversucht lassen, sie daran zu erinnern, dass sie mich auch liebt.“
„Okay.“ Ich wartete, bis Steffen endgültig außer Sichtweite war, bis ich mich wieder der Haustür zuwandte. Liebe. Unglaublich. Welcher Mensch nahm dieses Wort heutzutage schon freiwillig in den Mund, außer gegenüber dem eigenen Partner vielleicht? Und dann auch noch Steffen. Da hatte dieser Mann innerhalb von zwei Minuten meine komplette Meinung über ihn auf den Kopf gestellt.
Noch im Treppenhaus zog ich mein Handy aus der Tasche. Ich drückte die Wahlwiederholung. Es tutete bereits, als ich die Wohnungstür aufschloss.
Elenas Lachen drang an mein Ohr. „Echt Maja, du vermisst mich ganz schön, oder? Drei Anrufe an einem Tag, das ist ein neuer Rekord, würde ich sagen.“
Ich antwortete nicht. Meine linke Hand krampfte sich schmerzhaft fest um das Handy. Stocksteif stand ich im Türrahmen.
„Nee, wart e mal. Ich erinnere mich, dass wir schon mal auf fünf Telefonate an einem Tag gekommen sind. Wann war das noch gleich? Nach der Sache mit Alejandro? Oder als du überlegt hast, im Buchladen zu kündigen?“
Ich starrte auf die große, mir wohlbekannte Reisetasche, die mitten im Flur stand.
„Maja? Langsam wird’s gruselig. Du erinnerst dich doch noch an den Film, den wir Freitag geschaut haben? Den einen, wo der Mörder die Opfer auf dem Handy anruft und erst mal nichts sagt? Ich weiß, ich habe behauptet, dass der gar nicht gruselig war – war er auch nicht – aber er wird es gerade im Nachhinein.“
Ich wollte etwas sagen, doch aus meinem Mund kam nur ein heiseres Krächzen.
Elena stieß einen erstickten Schrei aus. Ich hörte etwas poltern, so als hätte sie ihr Handy fallen gelassen. Dann war die Leitung tot. Langsam ließ ich die Hand mit dem Telefon darin sinken und schloss die Wohnungstür hinter mir.
„Felix?“, flüsterte ich. Keine Reaktion. Meine Zimmertür war geschlossen, ebenso die von Daniel. Die Küche war durch den offenen Vorhang einsehbar, doch menschenleer.
Ich durchforstete mein Gehirn nach anderen logischen Erklärungen dafür, dass Felix' vollgepackte Reisetasche in unserem Flur stand. Mir fiel keine einzige ein.
„Felix!“, rief ich.
Aus dem Badezimmer drang ein Aufschrei, gefolgt von einem Fluch.
Ich schlich vorsichtig auf die Tür zu. Im selben Moment, indem ich sie erreichte, wurde sie von innen aufgerissen. Felix stand im Türrahmen. Mit nacktem Oberkörper, klatschnassen Haaren und einem Handtuch um die Hüfte. Oh, und einem hässlich blutenden Schnitt am Kinn. „Musst du so rumbrüllen? Wegen dir hab ich mich beim Rasieren geschnitten!“ Er stemmte die Hände in die Hüfte.
Ich starrte ihn
Weitere Kostenlose Bücher