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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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sie auf den Tisch. Sie nahm es und trank einen Schluck.
    »Was ist da drin?«
    »Ein bisschen Whisky«, erwiderte ich. »Nur zur Beruhigung.« Sie nickte, nahm einen weiteren Schluck und begann, die vergangenen Tage, angefangen mit dem Morgen nach der Party, im Detail laut zu durchdenken, suchte ihr Gedächtnis Zeile für Zeile nach dem ab, was sie übersehen haben mochte.
    Vor dem Fenster wurde das Blau des Meeres zu Grau und dann zu Schwarz. Im Garten wurden die Farben feierlich und zogen sich zurück. Das Telefon schwieg. Zwischen uns fiel kaum ein Wort von Belang. Ich füllte Saffias Glas nach, ein, zwei Mal. Sie rührte sich nicht von der Couch.
    Ich trat hinaus auf die Veranda, um in den Himmel zu starren, in die bleischwarze Dunkelheit, die sich über die Stadt senkte. Ich zündete eine Zigarette an und rauchte sie in der Dunkelheit. Durch die Scheibe der Schiebetür konnte ich Saffia sehen. Sie saß in einer Pfütze von hellem Lampenlicht, ihr Kopf ruhte auf dem Unterarm, der auf der Rückenlehne der Couch lag. Ich stand da und betrachtete sie, ich in Dunkelheit gehüllt, sie im Licht. Etwas an ihrer Haltung fiel mir auf, das Gewicht, mit dem ihr Kopf auf ihrem Arm ruhte. Ich merkte, dass sie eingeschlafen war, oder kurz davorstand. Mehrere Minuten lang blieb ich da, wo ich war, und rührte mich nicht.
    Ich wünschte, ich könnte die ganze Nacht dort bleiben. Ich ließ meine selbst auferlegten Zwänge fahren und gestattete mir zu fantasieren, mir vorzustellen, wie es sein könnte. Dass das alles mein wäre, mein Zuhause, hell erleuchtet in der Nacht. Die schlafende Frau darin meine Frau. Nicht vor Erschöpfung, Angst und Whisky schlafend. Sondern friedlich schlummernd.
    Ich wünschte, Julius würde niemals zurückkommen.
    Am nächsten Morgen um elf wurde ich festgenommen. Als ich mit einem Kuchen, den ich gerade zum Frühstück erstanden hatte, heimkam, erwarteten mich zwei Zivilbeamte auf der Treppe zu meiner Wohnung. Wir fuhren davon, durch die Stadt, und vom Fond aus betrachtete ich die Menschen, die ihren Angelegenheiten nachgingen; schon da beneidete ich sie um ihre banalen morgendlichen Rituale.
    Nach ein paar Minuten hielt der Wagen vor einem unauffälligen einstöckigen Gebäude, und man führte mich hinein. Im Eingangsraum standen zwei Männer. Sie unterbrachen ihr Gespräch, ihre Augen folgten mir, als ich vorbeigeführt wurde. Mit einem meiner Begleiter wurde eine Bemerkung gewechselt. Etwas Leichtfertiges, gefolgt von einem Lachen. Wir gelangten in einen Korridor, von Reihen grau lackierter Türen gesäumt. Eine der Türen stand offen. Sie stießen mich hinein. Eine Zelle, fensterlos bis auf einen Schlitz, schmal wie der eines Briefkastens, hoch oben an der Wand. Flecken an der Wand. Die Luft schwer von menschlichen Ausdünstungen. Ein Schreibtisch, ein Stuhl. Keine weiteren Möbel. Ich stellte den Kuchen auf dem Schreibtisch ab und setzte mich.
    Ich wartete. Ich nahm mir die Zeit, meine Situation gründlich zu durchdenken. Kein Grund zur Panik. Julius, Yansaneh, Kekura. Ohne den geringsten Zweifel war ich im Zusammenhang mit diesen dreien festgenommen worden. Aber in was waren sie verwickelt? Und was hatte das mit mir zu tun? Ich wusste doch nichts. Genau das würde ich den Beamten sagen. Aber würden sie mir glauben? Es erschien unwahrscheinlich, dass irgendetwas so einfach sein sollte. Bei dem Gedanken beschleunigte sich mein Herzschlag. Sie mussten mir glauben. Ich zählte meine Atemzüge. Eins, zwei, drei, vier.
    Draußen stieg die Temperatur, und das Gleiche tat die Temperatur im Raum. Ich zupfte am Stoff meines Hemdes. Ich fühlte mich klebrig. Gelegentlich hörte ich Schritte auf dem Korridor. Niemand blieb stehen. Niemand kam an die Tür. Schon als ich zu Hause angekommen war, hatte ich auf die Toilette gehen müssen, und wie ich da saß, fing der Druck in meiner Blase an zu steigen. Ich erwog meine Optionen. Ich konnte weiter warten. Ich konnte jemanden rufen. Mir fiel ein, dass sie gegangen waren, ohne die Tür abzuschließen. Ich konnte die Zelle jederzeit verlassen, obwohl mir das ziemlich gewagt erschien. Ich hielt weitere zehn Minuten aus, stand dann auf und klopfte an die Tür. Ich lauschte. Ich wartete. Ich klopfte noch einmal. Schritte auf dem Korridor. Die Tür öffnete sich, und ich trat einen Schritt zurück. Ein Mann steckte den Kopf herein, warf mir einen Blick zu, stieß die Tür vollends auf und hielt sie für einen zweiten Mann offen, der in den Raum trat.
    »Mr Cole.

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