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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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gelesen?«, fragt sie.
    »Zuletzt mit vierzehn. An welcher Stelle sind Sie gerade?«
    »Wo sie in Kempton Park anlegen, um Mittag zu essen.«
    »Und der Mann versucht, sie zu verscheuchen?«
    »Genau! Und dieser Harris! Der ist schon eine Nummer, kann ich Ihnen sagen!« Sie liest eine Passage vor und fängt wieder an zu lachen.
    Adrian betrachtet sie, lächelt und lacht dann ebenfalls.
    Sie steckt das Buch in ihre Handtasche. Sie verlassen das Café und gehen an einigen Universitätsgebäuden vorbei. Adrian sieht gemalte Wegweiser zu verschiedenen Fakultäten, Verwaltungsgebäuden, dem Amphitheater. Als Mamakay erwähnte, sie würde heute auf dem Campus sein, hatte Adrian sein Interesse bekundet, sich dort umzusehen. Während sie gehen, liefert sie ihm ein paar Informationen, macht ihn auf ein, zwei Gebäude aufmerksam. Die Straße führt sie immer höher den Hügel hinauf, wo die Hochhäuser älteren zweistöckigen Blocks weichen und diese schließlich weiten Rasenflächen und Bäumen, zwischen denen vereinzelte Bungalows stehen.
    »Hier wohnte früher der Lehrkörper. Schön, nicht?«
    »Wirklich.«
    »Ich wette, Sie sind überrascht.«
    »Ja«, gesteht er. Die Anlage ist faszinierend. Er weiß jetzt nicht so genau, was er eigentlich erwartet hatte. Es war nicht die Universität, woran er den ganzen Tag gedacht hat.
    »Hier haben Sie studiert?«
    »Ja.«
    Sie kommen an einem Bächlein vorbei, das die felsige Böschung hinabrinnt und sich am Straßenrand zu einem Tümpel sammelt. Kinder spielen darin. Als Adrian vorbeigeht, halten sie inne und starren ihn an.
    »Wir sind da«, sagt Mamakay.
    Sie stehen an einer Kurve, an der die Brüstung durchbrochen wurde. Adrian schaut sich um, sieht aber nichts, nur den aufsteigenden Hang hinter und die Bäume vor ihnen. Mamakay tritt durch die Lücke in der Brüstung. Adrian folgt ihr einen schmalen Pfad entlang. Nach ungefähr zwanzig Metern bleibt Mamakay sehen. Adrian, der nur darauf achtet, wo er hintritt, stößt beinah mit ihr zusammen. Er fängt sich, streift ihre Schulter; trotz ihrer Kleidung durchzuckt ihn die Berührung wie ein elektrischer Schlag.
    Sie dreht sich nach ihm um und lächelt. »Alles okay?«
    Sie stehen dicht voreinander. Einen Moment lang sieht er nichts als die braunen Sprenkel in ihren Iriden, ihre Augen werden flüchtig beschattet, als der Wind einen Ast über ihr bewegt. Er schluckt und nickt. Er ist befangen, sich seiner Atmung bewusst. Sie wendet sich ab, und er folgt ihrem Blick zu der Aussicht, die sich zwischen den Bäumen auftut: die Stadt, hingebreitet bis ans Meeresufer, die rotbraunen Wellblechdächer der Häuser, die Minarette der Moscheen, die Dachreiter und Türme der Kirchen, die die Häuser verzwergen und ihrerseits durch die gigantischen weißen Lagerhäuser des Hafens verzwergt werden. Der Himmel ist streifig von Wolken, der Horizont verschwimmt im Dunst. So hat er die Stadt noch nie gesehen; die Weite des Ausblicks verblüfft ihn. Hier ist vom Lärm der Stadt nichts mehr zu hören. Es ist kühler, eine leichte Brise berührt ihn wie feuchte Finger.
    Das Herz hämmert ihm, wider alle Vernunft, in der Brust.
    Nacht jetzt, seit etlichen Stunden. Sie sind in ihrer Wohnung, sie sitzen trotz der Moskitos bei offener Tür. Hier kann er die nächtlichen Geräusche der Stadt hören, ohne das störende Brummen eines Generators. Aus weiter Ferne kommt, von der undurchdringlichen Dunkelheit getragen, der Aufruf zum Nachtgebet. Ebenso der Bassbeat aus einer Bar weiter unten am Hügel. Ein blaues Stroboskoplicht pulst den Takt dazu. Nah das Geräusch von Leuten, die die Gasse hinterm Haus entlanggehen; Stimmen und Schritte hallen von den Betonwänden wider. Noch näher die nächtlichen Geräusche der Tauben in ihrem Schlag.
    »Er träumt«, sagt Mamakay über ihren Nachbarn, den Eigentümer der Tauben. »Und trinken tut er auch.« Sie steht auf und streckt sich, ihre Fingerspitzen berühren die Zimmerdecke, sie lässt die Arme wieder hinunterschwingen. Sie erzählt gerade die Geschichte von ihrem Nachbarn. »Vor zwei Tagen ist er rübergekommen, hat gegen das Tor gehämmert und mich angebrüllt.«
    »Warum?«
    »Er sagte, ich hätte ihn beleidigt. Er war gekommen, um mir zu sagen, dass ich ein schlechter Mensch bin.« Sie lacht.
    »Was hatten Sie gesagt?«
    »Gar nichts. Er hatte das alles nur geträumt. Anfangs wollte er das nicht glauben, aber die anderen haben ihm versichert, dass es stimmte. Sie waren ebenfalls in seinem Traum vorgekommen,

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