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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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Momentan passt es schlecht.«
    Ein paar Augenblicke lang sah sie mich schweigend an. Und als sie endlich etwas sagte, artikulierte sie die Worte überdeutlich, ließ sie eins nach dem anderen bedeutungsvoll, wie Gifttropfen, aus ihrem Mund gleiten. »Elias Cole. Schau dir selbst ins Gesicht.«
    Ich lehnte es ab, mich von Vanessas bösartigem kleinem Auftritt aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen; trotzdem muss er doch eine gewisse Wirkung gehabt haben, denn ein paar Stunden später meinte ich, Julius zu sehen. Es war nur ein Augenblick. Einfach ein Bursche, der aus einer Haustür herauskam, irgendetwas an seinem Profil. Er ging vor mir her, und natürlich war es nicht Julius. Ich erkannte es an seinem Gang. Und natürlich war Julius ja tot. Trotzdem raubte mir der Schock mit einem Schlag alle Kräfte; meine Knie gaben nach. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich so weit war, dass ich meinen Weg fortsetzen konnte.
    Am Tag, an dem ich Saffia meinen Antrag machte, kam ich gerade an, als sie mit einem jungen Straßenhändler verhandelte, der ihr einzureden versuchte, Julius habe ihm Geld geschuldet. Eine Lüge natürlich. Julius war mittlerweile seit fast einem Jahr tot, aber das hielt die Leute nicht davon ab, ihr Glück zu versuchen. Ich sah ihr an, wie müde sie allmählich war, wie sehr sie von allem genug hatte. Das Stipendium war praktisch abgelaufen. Ich unterbreitete ihr mein Angebot. Ein eher pragmatischer als romantischer Antrag, ein Kompromiss zwischen meiner und ihrer Situation. Ich spielte auf Julius an. Während meiner ganzen Rede war ich mir dessen bewusst, dass die Tante irgendwo in den Tiefen des Hauses mithörte. Saffia bat um Bedenkzeit. Einen Monat später wiederholte ich meinen Antrag, und diesmal nahm ihn Saffia an. Als ich das Haus verließ, sah ich die Tante von der Moschee zurückkommen. Ich teilte ihr die Neuigkeit mit, da ich so schnell wie möglich ihren Segen erhalten wollte. Über das Gesicht der alten Frau breitete sich ein devotes Grinsen aus, das mir den Eindruck vermittelte, dass sie sich aus Julius vielleicht doch nicht ganz so viel gemacht hatte, wie ich angenommen hatte.
    Auch der Dekan entbot mir seine Glückwünsche. Er schien sich über die Entwicklung aufrichtig zu freuen. Ein paar Wochen später wurde ich zum außerordentlichen Professor befördert. Und bald darauf wurde ein Haus auf dem Campus kurzfristig frei. Der bisherige Bewohner hatte seinen Posten im Rahmen der jüngsten Stellenstreichungen verloren. Das war bedauerlich, aber so war nun mal das Leben. Ich erzählte Saffia nichts von dem Haus, bis die Wände neu gestrichen und die Regenschäden am Wellblechdach beseitigt worden waren.
    Wozu mir einfällt – Yansaneh gehörte ebenfalls zu den Opfern der Sparmaßnahmen. Ich ging zu seiner Abschiedsparty, einer nüchternen Angelegenheit, der eine Handvoll seiner Kollegen beiwohnten. In seiner Rede dankte der Dekan Yansaneh für seine engagierte Arbeit. Yansaneh stand auf und sprach ein paar Worte. An einem Punkt schien er von seinen Emotionen übermannt zu werden und verstummte, doch dann gewann er seine Stimme wieder und bedankte sich bei mehreren Kollegen. Erst nachträglich wurde mir bewusst, dass er den Dekan, dem zu danken die Konvention eigentlich erfordert hätte, mit keinem Wort erwähnt hatte. Anschließend kamen die Leute nach vorn und klopften ihm auf die Schulter. Ich schüttelte ihm die Hand und sprach ihm mein Mitgefühl aus, doch er murmelte lediglich seinen Dank und wandte den Blick nicht von seinen Schuhen.
    Natürlich tat es mir wegen Yansaneh leid. Doch nichts konnte mein Glück beeinträchtigen.

33
    Der Ortsname klingt vertraut. Diese neue Route zur psychiatrischen Anstalt hat ihm Ileana beschrieben. Sie schlängelt sich den Hügel hinauf, vorbei an den Villen der Reichen, den Kasernen und eben auch diesem vertrauten Namen, der auf dem handgemalten Hinweisschild zu einem Frisiersalon steht. Da er es nicht eilig hat, biegt Adrian am Kreisverkehr in die Richtung ab, in die das Schild weist, und fährt einen Weg hinunter, der an einer Tankstelle entlangführt, wo mehrere junge Männer im Schatten einer hohen Mauer stehen. Sie starren durch das Fahrerfenster, mürrisch und stumm. Der Weg wird enger, die Häuser drängen sich auf die Fahrbahn. Er fährt jetzt langsam, die Leute machen ihm Platz. Er fährt an den Straßenrand, um einen anderen Wagen vorbeizulassen, der um die Ecke eines Gebäudes kommt, das in die Straße hineinragt. Während er darauf wartet,

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