Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
Vom Netzwerk:
gehört seine Fähigkeit, jener Lust an der Ausschmückung zu widerstehen, die Leute seines Standes so oft an den Tag legen und von der sie mit unerschütterlicher Gewissheit glauben, dass sie als empirischer Nachweis ihrer Bemühungen gedeutet werden wird. Babagaleh wusste, was von ihm erwartet wurde. Er beobachtete, er wartete, und als er die Information hatte, teilte er sie mir mit wenigen Worten mit. Wie er es formulierte, war sie zu dem Haus gefahren, in dem sie früher mit Mr Julius gewohnt hatte.
    Interessant, dass er dieses Detail kannte, denn meines Wissens hatte er das Haus nie zuvor gesehen.
    Die Trockenzeit hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Hügel waren von der Stadt aus praktisch nicht mehr zu erkennen, und die Sonne sah eher wie der Mond aus, bleich hinter einem Schleier aus Staub. Ich erinnere mich, dass es Januar war, weil es auch der Monat des Fakultätsfrauendinners war.
    In dem Jahr, von dem ich jetzt spreche, war es ein kühler Abend; Böen von Wüstenwind bliesen durch die Festgesellschaft. Der Dekan war natürlich anwesend, und wir unterhielten uns ein paar Minuten lang, bevor er, wie es seine Art war, sein Bad in der Menge nahm. Seine Anstrengungen sollten sich zehn Jahre später auszahlen, als er zum Rektor ernannt wurde.
    Ein einziges berichtenswertes Ereignis: Später an dem Abend wurde Saffia unwohl. Sie hatte getrunken, Brandy mit Gingerale. Ich schrieb es ihrer mangelnden Erfahrung mit Alkohol zu.
    Das alles hatte sich in den Tagen zugetragen, bevor ich Saffia dabei beobachtet hatte, wie sie, mit ihrem orangefarbenen Kopftuch angetan, das Haus verließ. Ich hatte mich gefragt, warum sie nicht ihr eigenes Auto nahm. Jetzt war diese Entscheidung halbwegs nachvollziehbar. Sie fuhr noch immer den VW Variant. Es wäre nicht gut gewesen, in ihrer alten Straße die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen.
    Ich erwog meine Alternativen. Ich beschloss, eigene Ermittlungen anzustellen.
    Eines Nachmittags machte ich mich auf den Weg zum rosa Haus. Zwei Jahre war es her, dass ich es zuletzt besucht hatte, drei Jahre, dass Julius gestorben war. Es hatte sich nicht viel verändert. Die Nachbarin, die Fisch-Mammy, wie ich sie bei mir nannte, wohnte noch immer dort. Zumindest nahm ihr Stuhl noch denselben Platz auf der Veranda ein, und ich meinte, ihre Stimme hinter dem Haus zu hören. Der Orangenbaum im Vorgarten war überwuchert, die Äste gebeugt. Die Haustür war fest verschlossen. Nach dem Auszug Saffias und ihrer Tante waren neue Mieter gekommen. Offenbar waren auch sie weitergezogen, und der Hausbesitzer hatte eigene Pläne mit dem Anwesen.
    Das ganze Haus wirkte vernachlässigt. Woran lag es? An den dunklen Fenstern? Der Abwesenheit von Fußspuren im Staub, der jetzt die steinerne Vortreppe bedeckte? Oder schlicht an dem nicht in Worte zu fassenden Fehlen einer Lebenskraft. Das rosa Haus war absolut still.
    Ich ging seitlich am Anwesen entlang, wo es, wie ich wusste, ein kleines Tor gab. Es war selten benutzt worden, eigentlich nur von Saffia, wenn sie die Topfpflanzen und Blumenampeln auslieferte, die sie für Hochzeiten und andere festliche Ereignisse verkaufte. Das Tor ließ sich leicht öffnen. Irgendwie hatte ich es nicht anders erwartet. Der Garten machte einen ordentlichen und gepflegten Eindruck. Jemand war kürzlich hier gewesen. Mir kam der Gedanke, dass der Eigentümer für die Zeit, da das Haus leer stand, einen Gärtner eingestellt haben musste. Als ich weiterging, erkannte ich, dass die Idee jeglicher Grundlage entbehrte. Es bestand gar kein Zweifel: Das war Saffias Werk. Ich ging den Pfad entlang, zum Ende des Gartens hinunter und zurück in die Vergangenheit. Zu der Stelle, an der ich in der Nacht der Mondlandung betrunken unter dem Baum gestanden und zu den Sternen hinaufgestarrt hatte. Wo ich in den ersten Wochen unserer Bekanntschaft zusammen mit Saffia vor den Harmattan-Lilien gestanden hatte. Und dann noch einmal vor zwei Jahren, als sie kurz auf die Möglichkeit einer Zukunft angespielt und mein Herz sich mit Hoffnung erfüllt hatte.
    Die Lilien waren herrlich. Zu Dutzenden, tiefstes Karmin, die großen trichterförmigen Köpfe mir zugewandt. Kann eine Blume einen Ausdruck annehmen? Ich frage deswegen, weil ich weiß, dass Sie mich für überspannt halten werden, wenn ich das sage – oder es damals dachte. Wie ich dort stand, war es so, als hätte ich eine Tür geöffnet und ein Zimmer voll schweigender – wachsamer, lauschender, wartender – Kinder erblickt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher