Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
Vom Netzwerk:
Gesang der anderen ein. Kai denkt an den Tag und die Reise, die er jetzt vor sich hat. Der Mut dazu fehlt ihm nicht. Nein.
    Eher war es so, dass ihn der Mut zu bleiben verlassen hatte.

35
    »Wie haben Sie geschlafen? Irgendwelche neuen Träume?«
    Elias Cole lacht, ein verschleimtes Scharren. »Das ist kein Ort, an dem sich gut durchschlafen ließe.«
    »Werden Sie geweckt?«
    »Irgendetwas ist immer, jemand, der stirbt oder es versucht. Ärzte und Schwestern machen es sich zur Aufgabe, dazwischenzufunken.«
    »Schaffen Sie es dann, wieder einzuschlafen?«
    »Ich frage mich, wer der Nächste ist, habe Angst, dass dieser Schlaf der letzte sein wird. Andererseits, wenn der Traum angenehm ist …« Wieder dieses Lachen.
    Adrian lächelt. »Wenn Sie möchten, kann ich den Arzt bitten, Ihnen etwas zu verschreiben.«
    »Was hätte es für einen Sinn?«
    »Sollten Sie Ihre Meinung ändern, dann geben Sie Bescheid.«
    »Natürlich.« Er stemmt sich hoch, in der langsamen, bedächtigen Weise eines Mannes, für den jede Bewegung mit Schmerzen verbunden ist. Er hustet, und der Husten erfasst seinen ganzen Körper.
    Adrian wartet.
    Elias Cole wischt sich den Mund mit einem Tuch ab. »Ich bin kein abergläubischer Mensch. Ich bin in der Stadt geboren. Ich halte nichts von Babagalehs provinziellen Auffassungen. So etwas wie einen natürlichen Tod gibt es für ihn nicht: Wir würden alle ewig leben, wären nicht die Flüche, die unsere Feinde auf uns häufen.« Er schaut zu Adrian auf. »Im Dunkeln gehen einem die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Man fängt an, sich Dinge einzubilden.«
    »Was für Dinge?«
    »Es ist doch ein ziemlicher Zufall, nicht? Mein Ableben, dem Tod Julius’ so ähnlich …«
    »Und Sie glauben, dass Ihre Lungenfibrose die Folge eines Fluchs sein könnte?« Interessiert, setzt sich Adrian auf seinem Stuhl um. Der alte Mann wendet sich ihm zu, ihre Blicke begegnen sich. Elias Cole lächelt und sieht in diesem Moment auf einmal ganz anders aus: scharf, kalt, wachsam. Adrian erkennt das Glitzern in seinen Augen. Was er jetzt von Cole sieht, ist nicht sein öffentliches Gesicht. Elias Cole war vor zehn, zwanzig Jahren sicher ein ganz anderes Paar Schuhe gewesen. Adrian wird bewusst, dass er damals nicht gern mit ihm aneinandergeraten wäre.
    Adrian lehnt sich zurück.
    »Nennen wir es einfach eine theatralische Ironie des Schicksals, was meinen Sie?«, sagt der alte Mann.
    An unserem ersten gemeinsamen Abend dinierten wir im Ocean Club. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute uns anstarrten. Zu einem Zeitpunkt, da Reden unerwünschte Konsequenzen haben konnte, füllte Klatsch die Leere. Nach dem Essen kehrten Saffia und ich zum Haus auf dem Campus zurück.
    Die Renovierungsarbeiten waren abgeschlossen und, alles in allem, gut erledigt worden. Ich führte Saffia von Zimmer zu Zimmer. Ein paar Dinge waren noch zu erledigen. Die Einrichtung, die zum Haus gehörte, war weniger als optimal und sah so aus, als wäre sie von einem Blinden ausgesucht worden. Vorhänge von toxischem Gelb. Ein Holzrahmensofa mit roten Kattunbezügen. Eine nicht minder schrill bezogene Sitzgelegenheit: ein Schaukelstuhl, der, wie wir später herausfanden, die Angewohnheit hatte, über seinen eigentlichen Wendepunkt hinauszuschwingen und den Insassen auf den Fußboden zu befördern.
    Ich war noch nie ein Mann von Geschmack; die Ausstattung meiner eigenen Wohnung war nie weit über das rein Funktionale gelangt. Saffia aber hatte ein Auge fürs Detail. Und so malte ich mir aus, wie ich ihr das neu gedeckte und gestrichene Haus zeigen würde. Und dann würden wir gemeinsam über die Möbel lachen, und in den folgenden Wochen würde Saffia es sich zu ihrer vorrangigen Aufgabe machen, das Haus neu zu dekorieren und einzurichten. Hoffte ich jedenfalls.
    Sie betrachtete den Raum von der Tür aus. Unmöglich, nicht zu bemerken, dass ihr Blick sich auf keinem einzigen Objekt niederließ, sondern rastlos darüber wegschwebte. Ich fragte sie unter mancherlei witziger Bemerkung nach ihrer Ansicht. Ein Spielchen, das ich mir zurechtgelegt hatte, bei dem ich kurzzeitig so tat, als würde ich die Einrichtung bewundern. Idiotisch, wie sich herausstellte. Saffia wandte sich zu mir um und lächelte, bedachte mich mit dem gleichen blinden Blick, mit dem sie den Raum betrachtet hatte, und sagte: »Es ist wirklich ein sehr schönes Haus, Elias. Danke.«
    Liebte sie mich? Ich glaube nicht. Spielte das eine Rolle? Nicht zu Beginn. Ich glaubte,

Weitere Kostenlose Bücher