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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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mittlerweile hätte Saffia jeden Traum von Liebe hinter sich gelassen.
    Aber ich bin ein eifersüchtiger Mensch. Auf meinen jüngeren Bruder war ich eifersüchtig gewesen. Nicht so sehr wegen der Tatsache, dass meine Mutter ihn liebte. Es war seine Lebensfreude, vermutlich, um die ich ihn beneidete, die Eigenschaft also, die bewirkte, dass die Menschen so auf ihn ansprachen. Er war ein vernunftwidrig glückliches Kind, und ich konnte niemals begreifen, warum. Ich war auf Julius eifersüchtig gewesen, weil er Saffia besaß. Ich war sogar auf Kekura und Yansaneh eifersüchtig geworden. Auf den Tänzer. Auf jeden Mann, der in ihre Nähe kam.
    Malen Sie sich also aus, was für ein Gefühl es ist, in einer Dreiecksbeziehung mit einem Gespenst zu leben. Der Rivale kann, behaglich in der Selbstgefälligkeit des Todes, nie einen Fehler machen oder enttäuschen. Julius hatte Saffia verlassen, doch mit seinem Sterben hatte er gleichzeitig für alle seine Sünden, für seine kolossale Selbstsucht und grandiose Dummheit gesühnt. Und falls es so klingt, als widerspräche ich mir selbst – ich tu’s nicht. Ich schildere lediglich die Kontorsionen, zu denen das menschliche Herz so hochgradig befähigt ist.
    Eine Erinnerung.
    Mit Saffia schlafen.
    Ich berühre ihren Rücken. Ein paar Sekunden lang, bis sie sich zu mir umdreht, ist sie vollkommen regungslos. Ich küsse sie. Ich streichle sie. Sie legt die Arme um mich. Aber irgendetwas hält sie zurück. Ihre Berührung fühlt sich auf meiner Haut insgesamt zu leicht an, als zögerte sie, echten Kontakt herzustellen. Im Mondlicht, das durch das Rollo hereingleitet, sehe ich, dass ihre Augen offen sind.
    Ich erinnere mich an Vanessa, an ihre geflüsterten Ermutigungen und gehauchten Kosewörter. Mit Vanessa konnte es mir gelingen, mich selbst zu verlieren. Vanessa beherrschte sämtliche Tricks der Koketterie und Verführung, und sie setzte sie zu meinem Vergnügen ein. Für großzügige Liebhaber konnte Vanessa eine großzügige Geliebte sein. Ich erinnere mich an die simulierte Leidenschaft des Mädchens von der Bar. Zumindest erwies sie mir eine gewisse Dankbarkeit. Sie bewunderte mich. Ein Mann braucht ein wenig Ermutigung. Ich empfand sogar ein bisschen Zärtlichkeit für sie.
    Das ist nicht wahr. Ich bringe dem Mädchen keinerlei Zärtlichkeit entgegen. Einem Mädchen, dessen Broterwerb es war, Vergnügen vorzutäuschen. Dasselbe trifft auf Vanessa zu. Vanessa spielt lediglich in einer höheren Liga, sie hat größere Ambitionen und dementsprechend geschärftere, verfeinertere Fähigkeiten.
    Die Wahrheit, wenn Sie es wissen wollen, ist, dass es mich nie kümmerte. Ich erwartete von einer Frau nicht, dass sie den Akt mit der gleichen Intensität wie ein Mann genoss. Es gab eine Zeit, da diese Frauen mir genug waren. Der mit ihnen vollzogene Liebesakt war mir genug. Doch jetzt nicht mehr.
    Ich vergleiche nicht das, was ich mit ihnen hatte, mit dem, was ich mit Saffia habe. Es ist alles Lüge.
    Vielmehr erinnere ich mich an einen Tag. Einen Tag, an dem ich vom Campus zu einem rosa Haus auf dem Hügel fuhr, mit einer Lkw-Ladung Stühle für eine Party, die an dem Abend stattfinden sollte. Ich kann die Erinnerung nicht aufhalten. Sie dringt wie ein Dieb in mein Gehirn ein, wie das Mondlicht durch das Rollo.
    Ich erinnere mich, wie ich durch die offene Tür in die verdunkelten Tiefen des Hauses trat. Ich erinnere mich, wie ich allein in diesem weiten offenen Raum stand und einem Geräusch lauschte. Einem Geräusch, das durch eine geschlossene Schlafzimmertür drang. Ich erinnere mich an die zotigen Bemerkungen und das Lachen des Lastwagenfahrers. Und ich erinnere mich an die Hitze, die mir ins Gesicht stieg.
    Und das ist jetzt die Wahrheit, habe ich damals gedacht: dass ich, bis der Fahrer sein dreckiges Lachen lachte, unfähig gewesen war, die Geräusche, die wir beide hörten, zu identifizieren. Sie waren mir nicht vertraut, weil ich keine Ahnung hatte, wie sich die Lust einer Frau anhört. Und als ich es an dem Tag zum ersten Mal hörte, klang es nicht im Entferntesten nach Saffia. Und da wusste ich es. Wusste, was Vanessa die ganze Zeit mit mir getrieben hatte, und ich war wütend. Ich hörte die viszerale Wirklichkeit, wild, hingegeben, selbstvergessen und unverwechselbar.
    Daran erinnere ich mich, während ich bei Saffia liege.
    Trotz allem erregt mich die Erinnerung. Doch Saffia täuscht ihre Lust nicht vor. Der Zorn kehrt zurück, er schwillt an und befeuert mich. Ich gerate

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