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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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wusste, ich hatte gefunden, wonach ich gesucht hatte. Ich wandte mich ab und ging.
    Als ich herauskam, war die Fischhändlerin auf ihrer Veranda. Während ich mich die Straße hinunter entfernte, spürte ich ihre Augen in meinem Rücken. Zur Abwechslung einmal sagte sie nichts.
    Und ihr Schweigen war beredter als alles, was ihre Lästerzunge hervorzubringen vermochte.
    In den letzten Wochen des Jahres 1972 wurde unsere Tochter geboren. Ich sagte mir, dass ich Saffia das einzige Geschenk gemacht hatte, das ihr von Julius versagt geblieben war. Es änderte nichts. Saffia blieb so unnahbar wie eh und je. Eine Reglosigkeit überkam sie. Ganz so, als hätte sie erkannt, dass mich zu heiraten ein Irrtum gewesen, es nun aber zu spät war. Also schluckte sie, wie viele Frauen es tun, die Bitterkeit ihres Bedauerns hinunter und fügte sich. Die Reglosigkeit war, was übrig blieb.
    Die Tante kam vom Dorf zurück, und Saffia trat die Verantwortung für das Kind weitestgehend an sie ab. Aus Dankbarkeit nannten wir das Kind nach der alten Dame. Es war zwar nicht der richtige Name des kleinen Mädchens, denn der war bereits festgelegt worden, aber der Hausname, der Name, bei dem wir sie riefen.
    Ich für mein Teil liebte die Kleine vom ersten Augenblick an. Und sie gab mir diese Liebe zurück. Ich hege keinen Zweifel daran, dass alle Männer das so erleben – oder zumindest sehr viele. Möglicherweise ist es sogar albern, von der Liebe eines Säuglings zu reden, denn liebt ein Kind – selbstbezogen wie ein Hündchen – nicht ohnehin jeden, der es versorgt? Doch zum ersten Mal in meinem Leben brauchte ich mich nicht zu fragen, was jemand in mir sah oder warum sie den Wunsch verspüren mochte, ihre Zeit mit mir zu verbringen, brauchte mir nicht den Kopf über ihre Motive zu zerbrechen. Sie war meine Tochter. Ich ihr Vater. Die erste Liebe, die ich je für selbstverständlich zu nehmen imstande gewesen war.
    Selbst Babagaleh geriet in den Zauberbann der Kleinen. Sie brachte ihm das Alphabet bei, wissen Sie? Immer wieder fand ich ihn dabei vor, wie er inmitten ihrer Puppen und Teddybären vor einer Kindertafel saß. Sie spielte gern Lehrerin. Und später saß er neben ihr, während sie ihre Hausaufgaben machte. Er schrieb die gleichen Rechenaufgaben und Sätze ab wie sie. Auf diese Weise lernte er lesen, und er kann ganz ausgezeichnet lesen, auch wenn er Wert darauf legt, das Gegenteil zu behaupten. Er nahm sie am Freitag immer mit in die Moschee und gab mit ihr an … tat so, als ob … seine eigene Tochter …
    Keuchen. Ein um sich schlagender Arm. Eine zitternde Hand. Der Körper des Alten krümmt sich konvulsivisch auf dem Bett. Sein Mund klappt auf und zu. Adrian springt auf, greift dem alten Mann mit beiden Armen unter die Achselhöhlen und zieht ihn hoch. Er rennt zur Tür und ruft nach einer Krankenschwester. Er wartet auf dem Korridor, während die Schwester sich um ihren Patienten bemüht. Ringsherum Stille, nur das hohle Scharren eines Eimers, der über den Fußboden geschoben wird, das Schwappen von Wasser. Das Geräusch des Krankenhaustors, das sich öffnet, eines Wagens, der hereinfährt.
    Adrian denkt über den letzten Teil von Elias Coles Geschichte nach. Das Kind war natürlich Mamakay.

36
    In einer Bar, dem Pedro’s, wo Adrian schon mit Kai gewesen ist. Adrian hat Mamakay am Tisch zurückgelassen, während er die Getränke holt.
    »Ein Bier, eine Cola mit Rum«, sagt er zu dem Barkeeper und hält bei dem Lärm zur Verdeutlichung einen Finger in die Höhe. Der Barbereich ist überfüllt. Mühsam dreht sich Adrian um und lehnt sich gegen den Tresen, sodass er Mamakay sieht.
    »Toller Laden!«, sagt der Mann neben ihm.
    Adrian wendet sich ihm zu und nickt. Der Mann ist jung, jedenfalls jünger als Adrian, und trägt Kakihose und Polohemd, die moderne Uniform des Europäers in den Tropen; seine Haut ist schweißnass und gelblich. Er sitzt mit dem Rücken zur Bar, die Daumen in die Hosentaschen eingehakt, sodass die Finger seinen Genitalbereich umrahmen. Auf der anderen Seite schmiegt sich eine missmutig dreinschauende Frau an ihn. Ihre linke Hand gleitet innen an seinem Oberschenkel hinauf und hinunter. Adrian nickt ihr zu und erkennt sie in dem Moment als das Mädchen mit dem violetten Top wieder, das er ein anderes Mal hier gesehen hat.
    Der Mann redet weiter. »Ich bin im Hinterland stationiert. Hier in der Stadt bin ich für ein Meeting mit unseren Sponsoren. Muss sie ein bisschen herumführen, ihnen ein paar

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