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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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lautlos hervor und verschwindet. Weitere Fledertiere folgen ihm, einzeln, dann zu zweit und zu dritt, schmale Luftströme hinter sich herziehend, sirupweich und warm. Jetzt in Gruppen von zehn und zwanzig, dann zu Hunderten, flattern Flughunde an ihnen vorüber. Adrian steht regungslos da, hält den Atem an, bis die letzten Tiere die Höhle verlassen haben. Die Luft strudelt von Flügeln, klumpig von Körpern. Windfäden schlieren ihm über Gesicht und Arme, scheinen an ihm haften zu bleiben. Der Wind treibt ihm die Tränen in die Augen, und er schließt sie. Sie sind überall, über ihm, um ihn herum, ohne ihn doch je zu berühren. Ihre Zahl scheint unendlich zu sein, bis plötzlich alles innehält. Adrian findet sich mit Mamakay in seinen Armen wieder. Der Atem kommt rasch und hart durch ihre Lippen, ihre Körper zittern. Sie halten sich umschlungen und lachen.
    Adrian schlägt die Augen auf und ist augenblicklich wach. Die Sonne brennt, der Himmel ist tiefblau. Es ist der Morgen seines Treffens mit Elias Cole. Als er zwanzig Minuten später in Elias Coles Gesicht schaut, merkt Adrian, dass er darin nach Spuren von Mamakay sucht. Dort, in der Linie der Lippen, der Kontur der Augen, den oben leicht vorstehenden Zähnen. Und wenn Cole lächelt, wie er es bei Adrians Erscheinen getan hat, zeigt sich die Ähnlichkeit in der Unterlippe, wenn sie an den Vorderzähnen hängen bleibt und von ihnen nach vorn gedrückt wird. Wie merkwürdig, das Gesicht einer jungen schönen Frau hinter dem Faltenwurf der Haut eines alten Mannes verborgen zu sehen! Adrian wird bewusst, dass er und Elias Cole praktisch versippt sind.
    Cole nimmt die Atemmaske von seinem Gesicht.
    »Guten Morgen«, sagt Adrian. Cole in diesem Zustand zu sehen bringt ihn irgendwie dazu, mehrmals tief durchzuatmen, wie ein Dürstender, der sich mit Wasser vollsaugt.
    »Guten Morgen.« Eine Stimme, so trocken wie Papier.
    »Wie geht es?«
    Cole zuckt die Achseln. »Ich kann mich nicht beklagen.«
    Im Zimmer ist es kühler als draußen. Dankbar dafür, nimmt Adrian auf seinem gewohnten Stuhl Platz. Während der letzten zwei Tage hat er seine klinischen Aufzeichnungen noch einmal vollständig durchgelesen. Doch selbst als er damit fertig war, behielt Elias Cole eine gewisse Undurchsichtigkeit zurück. Als Mensch war er besitzergreifend, kontrollbesessen und ehrgeizig, wenngleich nichts davon in einem Ausmaß, das man auch nur entfernt als pathologisch hätte bezeichnen müssen. Er war ein Lehrbuchfall von gehobenem Mittelmaß. Hätte er auch nur einen Funken echter Begabung besessen, wäre er vom Dekan als eine Bedrohung empfunden und wie so viele andere aus dem Weg geräumt worden. Als der Dekan Rektor wurde, beförderte er Cole in sein bisheriges Amt. In England hatte Adrian täglich mit Leuten wie Elias Cole zu tun; manche von ihnen waren seine Kollegen. Cole war auf seinen jüngeren Bruder eifersüchtig gewesen, den er gleichzeitig liebte. Hier Parallelen zwischen dem Bruder und Julius. Cole hatte selbst darauf angespielt. In mancherlei Hinsicht schien er sich gut zu kennen, weswegen er das, was er verheimlichte, umso geschickter verbarg. Es sei denn natürlich, die Verschleierung erfolgte auf unbewusster Ebene. Adrian bezweifelte dies. Er hatte eher den Verdacht, dass Cole ihn manipuliert hatte.
    »Da wäre etwas, was ich Sie fragen wollte.«
    »Nur zu.«
    »Haben Sie Johnson je wiedergesehen?«
    Schweigen.
    Wird Cole es sich leicht machen und lügen? Adrian rechnet halb damit. Doch der alte Mann erwidert: »Dann hat also jemand mit Ihnen gesprochen. Das ist immer die Gefahr in dieser Stadt. Voll von Klatschbasen und Munklern.«
    Jetzt ist es Adrian, der stumm bleibt und seine Antwort bedenkt, schon überlegt, an welchem Punkt er Mamakay erwähnen soll, als Cole fortfährt: »Aber schließlich hat Babagaleh mir erzählt, dass Sie die Bekanntschaft meiner Tochter gemacht haben.«
    »Das stimmt«, sagt Adrian.
    »Dachten Sie vielleicht, ich wüsste es nicht? Oder befürchteten Sie, ich würde Ihre Beziehung missbilligen? Nun, ich tu’s nicht. Holen Sie sie hier raus. Hier hat sie nichts zu erwarten.«
    »Sie will hierbleiben.«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Sie hatte schon immer ihren eigenen Kopf.« Eine Pause. »Und von meiner Tochter haben Sie also erfahren, dass ich sporadischen Umgang mit Johnson pflegte?«
    »Ja.«
    »Hmm.« Cole schnaubt leise. »Und wer hat es ihr erzählt?«
    »Sie hat ihn wiedererkannt, als er zu Ihnen nach Hause kam. Sie hatte

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