Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
Vom Netzwerk:
Wassers zurück. Detektive, die den Strand nach Beweisstücken absuchen, die Flügel wie wichtigtuerisch hinter dem Rücken verschränkte Hände. Adrian ist versucht, Schuhe und Socken auszuziehen und hinunter ans Wasser zu gehen, aber die praktische Umsetzung des Gedankens schreckt ihn ab. Also kehrt er stattdessen zur Bar zurück, zieht einen der alten Hocker vom Tresen und setzt sich. Augenblicke später erscheint ein Mann.
    »Ja, Sir?«
    »Bier, bitte.« Es ist erst elf, was soll’s.
    Der Barkeeper öffnet eine Flasche und lässt das Bier behutsam in ein schräg gehaltenes Glas rinnen. Er holt einen Bierdeckel hervor, stellt das Glas darauf und schiebt es vor Adrian hin, der gleich einen Schluck nimmt und den Biss des kalten Biers in seinem Gaumen auskostet. Der Mann entfernt sich und kehrt mit einem Edelstahlschälchen voll Erdnüsse zurück. Sie sind winzig, köstlich, mit pinkfarbenen papierdünnen Häutchen, von denen ein Schnipsel in Adrians Rachen kleben bleibt und einen Hustenanfall auslöst.
    »Vorsichtig, Sir.«
    »Ja, danke.« Adrian leert sein Glas, doch der Husten hört nicht auf. »Noch ein Bier, bitte.«
    »Zum ersten Mal hier?«, sagt der Barmann, während er die zweite Flasche einschenkt.
    »Ja.« Das ist eine Frage, die er mittlerweile nicht gern hört. Er fühlt sich gönnerhaft behandelt, wie ein Neuling, noch feucht hinter den Ohren – besonders, wenn der Fragende selbst ein Europäer ist.
    »Und wie gefällt es Ihnen bei uns?«
    Adrian nickt. »Sehr gut.«
    Der Barkeeper nickt ernst, so als hätte er nichts anderes erwartet. Er erwidert: »Vielleicht erzählen Sie anderen davon. Und dann kommen sie.«
    Adrian trinkt sein Bier. Der Barkeeper verschwindet und kehrt mit einer Schüssel Eiswürfel zurück, die er in ein Regal unter dem Tresen stellt.
    »Über das Land«, sagt Adrian, »wusste ich allerdings schon einiges. Durch meinen Großvater.« Das ist streng genommen nicht wahr, und er weiß selbst nicht so recht, warum er das sagt. Vielleicht weil er es satthat, wie ein Anfänger behandelt zu werden. Der Barkeeper schaut auf.
    »Ihr Großvater war hier?«
    »Ja«, sagt Adrian. »Vor langer Zeit. Vor dem Krieg. Er war District Commissioner.«
    »Wie hieß er, Ihr Großvater?«
    »Silk.«
    »District Commissioner Silk, ja.« Weder der Ton noch der Gesichtsausdruck des Barkeepers verraten das Geringste, nicht einmal, ob ihm der Name bekannt ist oder ob er lediglich höflich sein will. Adrian trinkt sein Bier aus. Als er bezahlen will, ist der Barkeeper wieder verschwunden. Er zählt das Geld ab und sieht sich nach dem Mann um, dabei fällt ihm zum ersten Mal ein Plakat an einem Pfeiler hinter ihm auf. Er gleitet vom Hocker hinunter, um es sich genauer anzusehen: Mamba Blues. 18:00 bis 20:00 Uhr. Jeden ersten Montag im Monat. Im Ocean Club . Dazu ein Foto von einer Frau im Halbprofil. Sie erinnert ihn an die Frau, die er vor dem Krankenhaus mit Babagaleh hat sprechen sehen; der Winkel der Aufnahme macht es schwer, sicher zu sein. Adrian schaut sich nach dem Barkeeper um, aber er ist weiterhin nicht zu sehen, also legt er den abgezählten Betrag auf den Tresen und geht.
    Die Straße, die zu Ileanas Haus führt, ist schnurgerade, und die Entfernung beträgt nicht mehr als ein paar Meilen; dennoch braucht er für die Strecke dreißig Minuten, weil die Fahrbahn in einem schandbaren Zustand ist. Vor der Tür liegen zwei Hunde, ohne Halsband und schlank. Einer von ihnen schnuppert vorsichtig an Adrians Hand, während er darauf wartet, dass Ileana auf sein Klopfen hin erscheint. Durch das Fliegengitter kann er das Wohnzimmer sehen: altes Rattansofa, Couchtisch, Bücher. Die Möbel sind mit bunten Tüchern drapiert. An der Wand ein Spiegel in einem Mosaikrahmen aus scharfen Glassplittern. Es ist Klaviermusik zu hören. Nach einer Weile sieht er Ileana, eine Zigarette rauchend, von der Seite ins Bild kommen. Zwischendurch vollführt sie ein paar Tanzschritte. Ihre Lippen sind blass, ohne Lippenstift. Sie sieht ihn nicht. Adrian wartet, bis sie auf der anderen Seite verschwunden ist, bevor er ein zweites Mal anklopft. Diesmal kommt Ileana den kurzen Flur entlang und reißt schwungvoll das Fliegengitter auf.
    »Die Tür ist offen. Sie hätten einfach reinkommen sollen.« Sie lächelt und küsst ihn auf beide Wangen, tritt dann zurück und betrachtet ihn einen Augenblick lang, wie eine Mutter, die abschätzen will, wie sehr ihr Sohn gewachsen ist. Ihre Lippen sind dunkelrot, frisch geschminkt.

Weitere Kostenlose Bücher