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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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elastischen Bund schnalzen. Die Bewegung verrät keinerlei Befangenheit, als existierten die Männer hinter ihr gar nicht. Candy ist immer noch am Reden. Adrian schaut sie an, erinnert sich an ihren Gesichtsausdruck an dem Abend, als sie sich an Kai heranmachte: selbstsicher, hungrig. Er dankt den zwei Männern, erklärt ihnen, dass sie nichts kaufen möchten.
    »Sparen Sie sich die Mühe, die geben nie auf«, sagt Candy. »Und? Wie lang sind Sie schon hier?« Es ist das zweite Mal, dass Adrian an dem Tag diese Frage gestellt bekommt. Er sagt es ihnen, und Candy lacht.
    »Ich fand eigentlich, dass Sie vernünftiger aussehen als wir anderen«, und sie lacht noch einmal.
    »Wie bitte?«
    »Kennen Sie den Witz nicht?«, sagt Candy und wirft Elle dabei einen kurzen Blick zu.
    Adrian schüttelt verwirrt den Kopf.
    »Sie wissen schon, den Witz? Vom Touristen?«
    Er hat nach wie vor keine Ahnung, wovon sie redet.
    »Was ist der Unterschied zwischen einem Touristen und einem Rassisten?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortet er mechanisch.
    »Zwei Wochen!«
    Elle lacht beifällig, obwohl sie den Witz eindeutig schon gehört hat. Adrian hat keine Ahnung, wie er reagieren soll. Er bleibt stumm.
    Hinter Candy falten die Händler Sarongs zusammen, packen sie ein. Adrian denkt an die begriffsstutzigen Polizeibeamten und an den gehörlosen Jungen, an das frustrierende Verhalten der Verwaltungschefin des Krankenhauses, an die Stromausfälle und die Wasserknappheit, an die Hitze, die verstopften Abflussrinnen und die Verkehrsstaus im Zentrum, die Bettler. Er denkt an die Schwangere mit dem toten Baby zwischen ihren Beinen, an Kai, dann an Agnes, an den jungen Mann, den er in die Anstalt gebracht hat, an seine Freunde unter den Anstaltsinsassen, an die Stille und Schönheit des Patientengartens. An Attilas ungebrochene Entschlossenheit. An das seltsame Glücksgefühl, das er an diesem Ort erlebt. Er zerbricht sich noch immer den Kopf darüber, was er entgegnen soll, als er merkt, dass die Aufmerksamkeit der zwei Frauen abgelenkt worden ist.
    »Oh, hi«, sagt Candy in einem hörbar lustloseren Ton als zuvor, als sie Adrian gegrüßt hat. Ileana ist mit einer Schüssel Obstsalat zurückgekommen: Mango und Ananas. Sie begrüßt die zwei Frauen und stellt die Schüssel auf den Tisch.
    »Hey, das sieht ja toll aus!«, sagt Candy, jetzt überschwänglich. »Und das Haus ebenfalls!«
    »Danke. Ich hol noch ein paar Teller.«
    Zu Adrians Erleichterung ist der Moment vorüber. Er fragt sich, ob Ileana Candys Witz gehört hat, jedenfalls verschwindet sie, ohne sich etwas anmerken zu lassen, zum zweiten Mal, um mit zusätzlichen Tellern und Besteck wieder aufzutauchen. Das Obst ist frisch, klar und rein, es befreit Adrians Geschmacksknospen vom zurückbleibenden Aroma des Krabbenfleisches.
    Plötzlich stellt Ileana ihren Teller zurück auf den Tisch und steht auf. »Entschuldigen Sie bitte!«, sagt sie zu den zwei Frauen. »Sie haben ja gar nichts zu trinken. Was hätten Sie gern? Es gibt Wein.«
    »Hey. Wahnsinn! Wir haben ja hier das große Los gezogen. Kann ein Tag überhaupt noch besser werden?«
    Ileana neigt liebenswürdig den Kopf. Sie nimmt die Flasche aus der Kühlbox, die neben Adrian steht, und schenkt zwei weitere Gläser ein.
    »Der ist wirklich gut.« Elle diesmal.
    »Wissen Sie, welcher unter den Weißweinen hierzulande der beliebteste ist?«, fragt Ileana.
    »Nein«, sagen Candy und Elle und wenden sich ihr zu, Adrian ebenso. Die Frauen mit offenem lächelndem Gesicht.
    »Der geht so«, sagt Ileana und fährt dann mit einer grellen quietschigen Stimme fort, einer klar erkennbaren Imitation von Candys näselndem Akzent: » Dschiiie - ses , was ist bloß mit diesen Leuten los? Kriegen die überhaupt nichts selbst gebacken? Wenn wir nicht wären, würden die noch immer in den Bäumen sitzen!« Und damit lässt sie sich auf ihren Stuhl fallen und trinkt einen Schluck aus ihrem Glas. »Cheers! Gut, nicht? Der beliebteste white whine – das beliebteste weiße Gejammer.«
    In dieser Nacht wird es kalt. Kein Wind, kein Regen, und dennoch spürt Adrian, wie er im Bett liegt, eine Kühle in der Luft. Er steht auf und schaltet den Deckenventilator aus. Die Bewegung versetzt seinen Magen in Aufruhr. Vielleicht der Krebs, obwohl er völlig frisch geschmeckt hatte. Mit diesen Dingen wusste man meistens erst Bescheid, wenn’s zu spät war. Und doch, wenn er sich recht erinnert, macht sich Fischvergiftung schnell bemerkbar. Er überschlägt, wie

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