Lied aus der Vergangenheit
lang es her ist, dass er von Ileanas Haus aufgebrochen ist. Um die fünf Stunden. Candy und Elle waren nach Ileanas Bemerkungen nur noch wenige Minuten geblieben. »Dumme Nutten«, hatte sie gesagt, während sie den zwei Frauen hinterhersahen. »Haben Sie eine Ahnung, was die als Erschwerniszulage bekommen?« Zum Glück war die mit dem Erscheinen der Frauen aufgekommene Spannung auch mit ihnen wieder verschwunden, Adrian und Ileana wieder relaxed unter sich. Er hatte die Schärfe ihrer Reaktion bewundert und war ihr dankbar für ihre offenbare Bereitschaft, über seine Energielosigkeit hinwegzusehen.
Sie waren geschwommen, und der Schock des Wassers – dessen Wärme, nicht etwa Kälte – hatte jede Verlegenheit verscheucht, die es hätte verursachen können, sich als Akademikerkollegen plötzlich gegenseitig in Badesachen zu sehen. Ileana, die ihr Haar in eine enge Badekappe gestopft hatte, erwies sich als eine kräftige ernst zu nehmende Schwimmerin und Adrian durchaus ebenbürtig. Sie waren fünfzig Meter weit durch das suppenwarme Wasser hinausgekrault und hatten sich dann dort einfach vom Steigen und Fallen der Wellen tragen lassen, während die Sonne allmählich unterging. Und anschließend waren sie den Strand entlanggegangen, und Ileana hatte Adrian ein seit dem Krieg verlassenes Hotel gezeigt. Da waren die Bar, die Spieltische: zerrissener Filz und zerbrochene Fensterscheiben, als hätte ein Sturm hindurchgeweht.
Später war Adrian, bevor die Dunkelheit hereinfiel, heimgefahren, da er nicht darauf aus war, sein fahrerisches Können im Finstern auf die Probe zu stellen. Er war erschöpft und mit beginnenden Kopfschmerzen angekommen, hatte etwas Wasser getrunken und war früh zu Bett gegangen, um ein paar Stunden später bei dieser der Jahreszeit nicht angemessenen Kühle aufzuwachen. Das Baumwolllaken, das er gewöhnlich im Lauf der Nacht abstreift, ist nicht genug. Er sucht in den Schränken, findet eine Decke und legt sich wieder hin, rafft die steife muffige Decke um seine Schultern.
Der Morgen trifft ihn fröstelnd an. In weiter Ferne hört er den Schlüssel sich im Türschloss drehen, fragt sich, was Kai so früh hier macht. Er rafft die Decke um seinen Körper und taumelt zur Schlafzimmertür.
»Hey, Mann«, sagt Kai. »Wie steht’s?«
Adrian versucht zu antworten, seine Stimme klingt kraftlos. Er merkt, wie Kai sich umdreht und genauer hinsieht, ein paar Schritte auf ihn zukommt. Adrian steht da und fühlt den Schweiß hochsteigen, ihm aus den Poren dringen, begleitet von einer Hitzewallung. Er stößt die Decke von sich, plötzlich hat er Durst. Er streckt die Hand aus, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Kai steht vor ihm, versperrt ihm den Weg, die Hände auf seinen Schultern, starrt ihm ins Gesicht.
»O-oh.« Kais Stimme kommt von ganz weit her. »Mann, du bist ja krank!«
21
Zwei Stunden nach Ende seiner Schicht hatte Kai schon die Küche geputzt, das Geschirr gespült, alle alten Lebensmittel aus dem Kühlschrank geworfen, die Oberflächen abgewischt und den Müll-und-Ameisen-Eimer ausgeleert. Als Nächstes räumte er das Wohnzimmer auf, boxte in die Kissen und schüttelte die Matten aus. Mit einem vom Hausmeister geborgten Besen fegte er den Staub zur Tür hinaus. Dann zog er die schmutzigen Laken unter Adrian ab, gab einem Stationshelfer ein Trinkgeld, damit er sie wegschaffte und mit sauberen zurückkam, und bezog das Bett frisch, Adrian mit geübter Effizienz von der einen zur anderen Seite der Matratze schiebend. Minuten später kehrte der Helfer mit einer Tüte Lebensmittel zurück, und Kai ging in die Küche und machte sich daran, eine Suppe zu kochen: eine reine klare Brühe, der er eine ganze Scotch-Bonnet-Chilischote, mit dem Rücken eines Holzlöffels zerdrückt, sowie einen Spritzer Limonensaft hinzufügte.
Jetzt sitzt er auf der Couch, während die Suppe köchelt, überfliegt ein paar von den Zeitungen, die auf dem Couchtisch liegen, blättert ein Fachbuch durch, liest hier einen Satz, dort eine Kapitelüberschrift. Er lehnt den Kopf zurück und schließt die Augen. Im nächsten Moment beginnen Bilder aufzusteigen, Bruchstücke von Träumen. Er schüttelt den Kopf und zwingt sich, die Augen zu öffnen. Er schläft zurzeit nicht gut, und wenn der Schlaf einmal doch kommt, sucht er sich dafür die ungünstigsten Augenblicke aus. Er ist seit drei Tagen nicht mehr zu Haus gewesen, sondern ist vom OP -Saal direkt zu Adrians Wohnung gegangen.
Er betritt das Schlafzimmer mit
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