Lied des Schicksals
Rückseite des Hauses, wo früher die Zimmer für den Butler waren. Mr und Mrs Brown bewohnen ein Cottage auf dem Grundstück. Jetzt guck doch nicht so finster, Darcy. Alistair und ich fahren über Weihnachten nach Langsdale. In der kurzen Zeit bis dahin wird es schon keine skandalösen Gerüchte geben. Also sag schon, wo willst du wohnen?«
»Ich hab vor, den guten alten Boney zu besuchen. Ich hab ihm gleich nach meiner Ankunft hier in der Stadt einen kurzen Brief geschrieben. Ich hoffe, dass ich bei ihm ein Bett bekomme.«
»Der arme Boney. Madames Tod hat ihn zutiefst erschüttert. Die beiden hatten sich sehr lieb gewonnen. Er wird sich bestimmt über deine Gesellschaft freuen.«
Das tat er tatsächlich. Allerdings war Darcy schockiert, wie sehr sein Freund gealtert war, und es beschämte ihn, wie bereitwillig er ihn bei sich aufnahm. Sie redeten bis weit in die Nacht miteinander, jetzt nicht mehr als Lehrer und Schüler, sondern von Mann zu Mann. Als Darcy sah, wie Boney allmählich wieder ein bisschen Freude am Leben gewann, war er froh, dass er den alten Mann gefragt hatte, ob er bei ihm wohnen könne.
Während der zwei Wochen verbrachten Darcy und Etty jede mögliche Minute miteinander. Manchmal wurden sie auf ihren Ausflügen von Alistair oder Boney begleitet, manchmal auch von beiden. Doch die meiste Zeit waren sie allein miteinander. Sie schlenderten durch den botanischen Garten, fuhren mit dem Zug nach St. Kilda, wo sie Arm in Arm über die Strandpromenade spazierten und in einem der Cafés hausgemachtes Eis aÃen, oder sie erkundeten gemeinsam die Läden und Märkte.
Zu viert verbrachten sie einen ganzen Tag im Royal Park Zoo. Sie bestaunten die Affen, die amerikanischen Schwarzbären, die Tiger, Löwen und anderen exotischen Tiere. Im Schatten machten sie ein Picknick mit kaltem Huhn, Kaninchenpastete, Käse, Tomaten und vielen anderen Köstlichkeiten, die ihnen Mrs Brown in zwei Körbe gepackt hatte. Die Freude an diesem Mahl im Freien wurde nur dadurch getrübt, dass sie ständig die Fliegen von ihrem Essen verscheuchen mussten. Nachdem sie gesättigt waren, entspannten sie sich noch eine Weile bei angenehmen Gesprächen, bevor sie einen letzten Spaziergang durch den schön angelegten Garten unternahmen.
Die Tage waren heiter und sonnig, die Dezemberhitze erträglich, bis die heiÃen Winde kamen, die die Quecksilbersäule auf fast vierzig Grad ansteigen lieÃen, und sich das Kobaltblau des Himmels in ein gleiÃendes Blass verwandelte, das in den Augen wehtat. Nach zwei glühend heiÃen Tagen änderte sich das Wetter über Nacht. Am Morgen regnete es, und die Quecksilbersäule sank um etwa zwanzig Grad.
Etty lachte, als Darcy bei ihr ankam und sich bitterlich über den Regen und die Kälte beklagte. »Das Wetter in Melbourne ist immer unberechenbar. Heute Nachmittag kann es schon wieder sonnig und heià sein.«
Doch es regnete auch noch am nächsten und am übernächsten Tag, und mit jedem Tag schien es kälter zu werden. Der Topf mit der Schusterpalme wurde aus dem Kamin entfernt, damit man ein kleines Feuer anzünden konnte. An einem Tag besuchten sie mit Boney und Alistair die Gemäldegalerie und am nächsten Tag das Museum. Als es am dritten Tag immer noch regnete, saà Darcy mit Etty in deren Empfangszimmer. Wegen des trüben, regnerischen Wetters hatten sie die Gardinen zugezogen. Das im Kamin glühende Feuer heiterte den Raum ein wenig auf.
Etty unterhielt Darcy mit Geschichten von ihren Reisen und mit lustigen Anekdoten über ihre Erfahrungen mit dem italienischen Opernensemble. Allerdings erzählte sie ihm nicht, dass sie vorhatte, im neuen Jahr nach Mailand zu reisen und sich dort dem Ensemble wieder anzuschlieÃen. Auch wenn Darcy beteuerte, wie sehr ihn diese Geschichten aus ihrem Leben amüsierten, wusste sie, dass er nicht verstehen würde, dass das Bedürfnis zu singen ihrer Seele entsprang. Oper hatte für sie nichts mit einem bestimmten Lebensstil zu tun. Sie musste einfach singen.
Darcy seinerseits sprach über Riverview und darüber, wie viel ihm dieser Ort inzwischen bedeutete. Er erzählte ihr von einem Traum, den er kürzlich gehabt hatte, in dem sein vor langer Zeit verstorbener Onkel Josh zu ihm gekommen war und ihm erklärt hatte, es sei schon immer vom Schicksal bestimmt gewesen, dass Riverview einmal Darcy gehören
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