Lied des Schicksals
Wagens.
»Kommen Sie mit gucken, Mr Boniface?«, fragte er.
»Ãh, nein, ich glaube, ich bleibe lieber hier.«
Das Schaf war noch nicht lange tot. Das Blut um die Wunde war noch hell und frisch. Schon allein die Tatsache, dass der Speer noch in dem toten Tier steckte, sagte dem Mann und dem Jungen, dass derjenige, der die Waffe geworfen hatte, noch in der Nähe war. Kein Aborigine-Jäger würde einen guten Speer zurücklassen.
Larry suchte die Büsche ab, in denen sich der Wilderer versteckt haben könnte. Ruan kniete sich auf den Boden, um nach FuÃabdrücken zu suchen, fand jedoch keine.
»Er muss uns genau in dem Moment kommen gehört haben, als er den Speer geworfen hat, Onkel Larry. Der beobachtet uns bestimmt von irgendwo.«
»Und ob der uns beobachtet.« Larry stellte einen Fuà auf das Schaf und zog den Speer heraus. Er hätte ihn über dem Knie zerbrochen, wenn er sich nicht so wunderbar leicht und elastisch in seiner Hand angefühlt hätte. Ohne den Blick von dem dichten Buschwerk abzuwenden, forderte er Ruan auf, den Wagen zu holen.
»Der Kerl wird weder seinen Speer noch eine kostenlose Mahlzeit bekommen. Da das Schaf frisch getötet ist, werden wir es zum Metzger in Creswick bringen.«
Mr Boniface verzog das Gesicht, als Larry und Ruan mit ziemlicher Mühe das tote Tier auf den Wagen hievten. Er zog ein ordentlich gebügeltes Taschentuch hervor und hielt es sich über Nase und Mund, während er das erlegte Schaf mit einer Mischung aus Faszination und Ekel betrachtete.
»Das gehört halt zum Leben hier dazu«, erklärte ihm Larry, als er sich wieder auf den Kutschbock schwang und den Wagen in Bewegung setzte.
»Kommt es oft vor, dass ein Stück Vieh mit einem Speer getötet wird?«, fragte Boniface mit vorgehaltenem Taschentuch.
»Erst in den letzten paar Monaten. In dieser Gegend leben nicht mehr allzu viele Aborigines.«
»Wie kommt das?«
Larry zuckte mit den Schultern. »Als die Goldgräber in die Jagdgebiete der Stämme eindrangen, brachten sie auch die Krankheiten der WeiÃen mit. Wenn weiÃe Kinder Masern kriegen, werden sie meistens wieder gesund. Schwarze Kinder sterben daran. Das trifft auf die meisten von unseren Krankheiten zu. Aborigines haben nicht einmal Abwehrkräfte gegen eine ganz normale Erkältung. Solche Infektionen gab es nämlich nicht, bevor die WeiÃen kamen. Das sind jedoch nicht die einzigen Dinge, die sie umbringen. Viele Aborigines haben Geschmack am Alkohol gefunden. Sie werden rasch abhängig. Dann treiben sie sich am Rand der Siedlungen herum und versuchen, auf irgendeine Weise an einen Drink zu kommen. Leider dreht sich schon bald ihr ganzes Leben nur noch darum, sich Alkohol zu beschaffen. Und wenn sie in diesem Zustand sind, leben sie natürlich nicht mehr lange.«
»Ich habe irgendwo etwas darüber gelesen, wie sehr die eingeborene Bevölkerung durch die weiÃen Siedlungen dezimiert wird. Ist es denn möglich, dass bereits ganze Stämme ausgerottet wurden?«
»Das ist nicht nur möglich, sondern in manchen Gegenden schon mehr oder weniger Tatsache.«
»Als die Aborigines nicht mehr in ihren Gebieten jagen konnten, haben sie angefangen, mit ihren Speeren Schafe zu töten«, fügte Ruan hinzu, der ebenfalls zu Boneys Weiterbildung beitragen wollte.
»Aber Sie haben doch gesagt, Benedict, dass so etwas erst in jüngster Zeit vorgekommen ist?«
»Der Boss meint, dass hierfür eine kleine Gruppe verantwortlich sein könnte, die sich von ihrem Stamm abgesondert hat. Die werden wir eines Tages schon erwischen, hoffentlich ohne jemanden von ihnen erschieÃen zu müssen.«
Larrys letzte Worte machten Mr Boniface völlig fassungslos. »Jemanden erschieÃen? Aber wäre das nicht eine Straftat?« Er blickte nervös auf Larrys Pistole und auf das Gewehr, das im Wagen lag.
»Es besteht ein Unterschied zwischen einem kaltblütigen Mord und Notwehr, Boniface. Wenn es um die Frage ginge, ihr Leben oder unseres, ja, dann würde ich schieÃen.«
»Ãh, ja, natürlich. Und Sie glauben, dass der Mann, der das Schaf getötet hat, immer noch in der Nähe ist?« Boniface blickte nervös zu den Büschen am Wegrand hinüber.
Larry grummelte. »Ja, das glaube ich. Wenn ich sicher gewesen wäre, dass es nur einer ist, hätte ich ihn verfolgt und mir von Ruan mit dem Gewehr
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