Lied des Schicksals
Trevannick zwang, den Schritt zu tun, den er seit Längerem hinausgezögert hatte. Vier von Langsdales besten Zuchtschafen waren getötet worden, drei davon lagen noch auf der Weide.
»Die Mistkerle haben nur ein Schaf mitgenommen, Boss. Warum zum Teufel mussten sie noch drei abschlachten, um sie dann einfach liegen zu lassen?« Ned war stinksauer.
Cons Gesicht wirkte grimmig. »Vielleicht war das die Rache dafür, dass Larry ihnen gestern ihre Beute weggenommen hat. Was mir am meisten Sorgen macht, Ned, ist allerdings, dass sie sich so nah an die Farm heranwagen. Ob sie gefährlicher für uns werden? Werden sie noch weiter gehen, als nur Schafe zu töten?«
»Das hab ich mich auch schon gefragt. Erinnern Sie sich noch an die beiden furchtbaren Massaker vor einiger Zeit in Central Queensland?«
Die Vorfälle, von denen Ned sprach, hatten das ganze Land schockiert. 1861, vor gerade mal drei Jahren, waren achtzehn Männer, Frauen und Kinder in Cullin-la-Ringo von Aborigines getötet worden. Vier Jahre zuvor waren elf WeiÃe auf der Hornet-Bank-Farm ermordet worden.
»Das Hornet-Bank-Massaker war ein Vergeltungsschlag für die Vergewaltigung und Misshandlung von Aborigine-Frauen durch mehrere WeiÃe. Dagegen soll Wills auf der Cullin-la-Ringo-Farm die Aborigines immer freundlich behandelt haben, das hat jedoch ihn und seine Familie nicht gerettet. Wir müssen diejenigen finden, die die Schafe getötet haben, und diesem Treiben irgendwie ein Ende setzen.«
»Wollen Sie heute noch nach ihnen suchen, Boss?«
»Ja, ich glaube, es wird Zeit, etwas zu unternehmen.«
»Meinen Sie, wir sollten die Polizei um Hilfe bitten?«
Con schüttelte den Kopf. »Ich bin immer noch der Meinung, dass es sich um eine kleine Gruppe handelt, nicht um einen ganzen Stamm. Wenn sie die Tiere, wie ich hoffe, nur getötet haben, weil sie was zu essen brauchten, dann werde ich versuchen, mit ihnen zu verhandeln.«
»Wollen Sie ihnen freien Proviant anbieten, wenn sie sich bereit erklären, keine Schafe mehr zu töten?«
»Genau das habe ich vor.«
Bereits eine Stunde später war der Suchtrupp, bestehend aus Con, Nelson, Ned und Darcy, unterwegs. Nelson ritt voran, sämtliche Sinne äuÃerst angespannt, bis er die Spuren fand, nach denen er gesucht hatte. Auf einen Wink von ihm stieg Darcy vom Pferd, um sich die Sache genauer anzusehen. Vorsichtig hockte er sich hin, um die schwachen FuÃabdrücke nicht zu zerstören.
»Diese Spuren stammen von letzter Nacht. Zwei Männer und ein Junge. Einer der Männer hat etwas Schweres getragen, vermutlich das Schaf.«
Nelson nickte zustimmend. »Richtig, mein Sohn, so würde ich die Spuren auch lesen. Möchtest du jetzt die Führung übernehmen?«
»Klar.«
Ohne ein einziges Mal zu zögern, folgte Darcy eine Meile lang den Spuren, bis sie an ein mit Gestrüpp überwuchertes ausgetrocknetes Flussbett kamen. Dort hob er warnend die Hand. »Sie kampieren etwa eine Viertelmeile weiter im Flussbett.«
»Woher weiÃt du das?«, fragte Ned und war verblüfft, als er dafür ein Grinsen von Nelson erntete.
»Rauch«, antwortete Darcy.
»Wo?« Con blinzelte in die Richtung, in die Darcy gezeigt hatte.
»Der Junge hat sehr gute Augen«, sagte Nelson. »Er hat den Rauch sogar noch vor mir gesehen. Machen Sie sich keine Sorgen, Boss, Sie werden nicht blind.« Er lachte gutmütig. »Der Rauch zeichnet sich nur als ganz schwacher Schatten gegen den Himmel ab.«
Ned blickte angestrengt zu der Reihe niedriger Bäume am Flussbett. »Also, ich kann keinen Rauch erkennen. Aber ich zweifel natürlich nicht, dass da welcher ist. Boss, sollen wir ⦠Was zum Teufel ist denn da los?«
Gewehrschüsse hatten plötzlich die Stille zerrissen. Die drei Männer und der Junge sahen sich besorgt an. Die Schüsse waren aus der Richtung gekommen, in der Darcy das Feuer ausfindig gemacht hatte. Con trieb sein Pferd an und mahnte die anderen zur Vorsicht.
»Die Aborigines da drüben haben keine Gewehre. Haltet also eure Waffen bereit.«
Sie ritten zügig und verlangsamten erst das Tempo, als sie sich der Baumreihe am Flussbett näherten. BeiÃender Pulverdampf lag in der Luft. Schurkisches Gelächter drang an ihre Ohren. Alle wussten, wem dieses unangenehme Lachen gehörte.
»Sergeant Dunstan«, flüsterte Nelson.
Con
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