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Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Titel: Lied ohne Worte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja
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Handtuch, und seine nassen Haare klebten schwarz an den Schläfen seines strahlenden Gesichts.«Ich bin erfreut, dass wir uns kennengelernt haben. Und er ist Musiker, vielleicht spielt er ja einmal für dich. Du liebst doch die Musik.»
    Sascha schwieg und errötete, als ob ihr Geheimnis etwas Verbotenes wäre. Sie war nicht eben froh über die Bekanntschaft ihres Mannes mit dem rätselhaften Musiker. Wozu sollte dies gut sein? Der Eindruck seiner Kunst, die ihr so viel Glück und Trost gegeben hatte, sollte nicht vom Eindruck seiner Person zerstört werden. Gerade in diesem Moment näherte sich die Kinderfrau mit Aljoscha und tat kund:«Gnädige Frau, der Nachbar hat nach einer Kaffeemühle geschickt, sie haben keine. Soll ich ihm unsere leihen?»
    «Mama, gib sie ihm, er hat mir gestern Schokolade geschenkt, er ist nett.»
    Sascha lächelte. Dieser Zauberer der Musik trinkt Kaffee und isst Schokolade!
    «Natürlich, geben Sie ihm jederzeit alles, wonach er fragt.»
    «Bei dieser Gelegenheit werde ich gleich etwas Salat schneiden und Radieschen für ihn ernten, schicken Sie sie dem Nachbarn, erfragen Sie seinen Namen und richten Sie ihm aus, wir geben uns die Ehre und laden ihn für morgen zum Essen ein.»
    «Nein! Das ist eine ganz überflüssige Bekanntschaft», sagte Sascha hastig. Sie war verstimmt und den Tränen nahe.«Ich pflege gar keine Kontakte, und nun soll ich plötzlich einen gänzlich Fremden einladen!»
    «Nun, alle waren ja einmal Fremde», antwortete Pjotr Afanassjewitsch gekränkt; er langweilte sich auf dem Land und wollte allzu gern mit dem Nachbarn nähere Bekanntschaft schließen. Indessen besaß Pjotr Afanassjewitsch nicht die Angewohnheit, seiner Gattin zu widersprechen, und verzichtete deshalb großmütig darauf, den Mieter des gelben Hauses einzuladen, fügte aber hinzu, es sei reinweg unnötig, den Nachbarn zu fürchten, denn er sei ein vollkommen anständiger und taktvoller Mensch.
    Pjotr Afanassjewitsch eilte in den Garten, um Radieschen zu ernten. Sascha wusste, dass zu dieser Stunde wohl keine Musik erklingen würde, denn dies war die Zeit, zu der der Nachbar seine Spaziergänge zu unternehmen pflegte. Daher beschloss sie, ebenfalls spazieren zu gehen. Lange streifte sie allein durch das nahe gelegene Wäldchen und erfreute sich an den ihr noch unbekannten Orten. Sie pflückte einen großen Strauß heller, duftender Veilchen und lief dann zu einem kleinen Wasserlauf hinunter, um die Stiele der Blumen zu befeuchten. In der Mulde, die ein klarer Bach schnurgerade in den Waldgrund geschnitten hatte, befeuchtete sie die Blumen und trank Wasser aus der Hand. Es war kühl und angenehm, Sascha war glücklich, so ganz für sich zu sein; sie setzte sich, las die Veilchen aus und band sie zu einem Strauß. Nur der Bach mit seinem eintönigen leichten Murmeln unterbrach die Stille. Doch plötzlich waren da noch andere Geräusche, das Umblättern der Seiten eines Buches, jemandes Atem… Und Sascha erblickte, barhäuptig auf einem Baumstumpf sitzend, den Nachbarn aus dem gelben Sommerhaus. Er hatte Sascha nicht gehört, sein Gesicht war geradezu finster. Sascha wusste nicht, was tun. Weglaufen – warum? Das war allzu peinlich. Bleiben – dann müsste man ein Gespräch beginnen, indes – sie wünschte ja diese Bekanntschaft nicht. Was also tun? Noch während sie schwankte, erhob sich der Unbekannte, verneigte sich vor Sascha und sagte:«Ihnen gefällt dieser Ort auch? Hier ist es nicht so heiß.»
    «Ich bin zum ersten Mal hier, mir ist die Gegend ganz unbekannt», antwortete Sascha und fühlte, wie ein Schauer ihren Körper durchfuhr.«Ich gehe jetzt nach Hause…»
    «Wenn es Ihnen recht ist, begleite ich Sie», sagte schlicht und ruhig der Unbekannte.
    «Gern. Darf ich fragen, wie Sie heißen?»
    «Iwan Iljitsch. Und Sie?»
    «Alexandra Alexejewna.»
    «Sie lieben die Musik? Sie kamen, um mir zu lauschen. Möchten Sie, dass ich für Sie spiele? »
    «Nein… Ja, ich danke Ihnen, irgendwann einmal…»
    Saschas Herz pochte vor Aufregung. Wie nahe war nun das Glück, das ihr doch unerreichbar erschienen war…
    Sie gingen eine Anhöhe hinauf, über eine kleine, solide Brücke aus Ästen, die über den Graben führte, stiegen auf ein Hügelgrab, und es eröffnete sich ein wunderbarer Blick auf den schmalen Fluss, den Sonnenuntergang in der Ferne zur Linken, den alten Wald zur Rechten.
    «Wie schön! Ich war noch nie zuvor hier. Und da, ein Boot auf dem Fluss, wie vergnüglich! », rief Sascha

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