Lied ohne Worte: Roman (German Edition)
aus.«Wem gehört es?»
«Ich weiß nicht. Doch wenn Sie wollen, lassen Sie uns Boot fahren, ich werde rudern.»
«Danke, das freut mich…»Unbedacht willigte Sascha ein und eilte voran zum Fluss.
Iwan Iljitsch hatte kräftige, schöne Hände, die harte Arbeit nicht gewohnt waren. Ein wenig ungeschickt machte er die Kette los, stieß das Boot ab und sprang hinein. Er reichte Sascha die Hand, und wenige Minuten später schon fuhr das Boot in Richtung der Stadt.
Der feurige Strahl der untergehenden Sonne spiegelte sich im Wasser, bevor er versank; es war still, der Abendnebel legte sich über den Fluss, am Ufer war wie durch einen Schleier die Stadt zu sehen, und sie glitten nahezu wortlos im Boot dahin.
Sascha wurde von ruhigem Wohlbehagen erfasst. Die Schlichtheit und stille Zärtlichkeit dieses Menschen besänftigte ihr Herz und lähmte ihren Widerstand augenblicklich; es tat ihr wohl, sich zu ergeben.
Sascha kehrte recht spät mit Iwan Iljitsch nach Hause zurück. Pjotr Afanassjewitsch war beunruhigt und bereits losgelaufen, sie zu suchen; er war erleichtert, als er sie mit dem Nachbarn erblickte.
«Sie haben sich bekannt gemacht, wie bin ich froh! Lassen Sie uns schnell Tee trinken, uns aufwärmen, es ist ziemlich feucht.»
«Heiß ist es, wozu sich aufwärmen? Wir sind ganz wunderbar Boot gefahren», sagte Sascha.
«Boot gefahren? Ach so ist das!»Pjotr Afanassjewitsch wurde nachdenklich.
Iwan Iljitsch griff mit großem Appetit zu Brot, Butter und grünem Käse und trank bereits die dritte Tasse Tee mit viel Sahne.
«Haben Sie hier ein Klavier?», fragte er.
«Ja, sogar einen sehr guten Flügel, einen Bechstein. Ich habe selbst einmal viel gespielt. Aber Pjotr Afanassjewitsch mag die Musik absolut nicht, ja er leidet geradezu unter dem Lärm, wie er zu sagen pflegt, so dass ich fast ganz damit aufgehört habe.»
«Kann ich einmal probieren?»
Iwan Iljitsch stimmte ein Motiv an, dachte dann kurz nach, senkte den Kopf, als ob er sich an etwas zu erinnern suchte, rückte ein wenig vom Flügel ab, setzte sich auf den äußersten Rand des Stuhls und schlug einen Akkord an – Beethovens Klaviersonate op. 31 21 .
«Was ist das?», fragte sich Sascha. Sie glühte über und über, als ob sie von einer warmen Wolke eingehüllt würde.«Ja, ich kenne dieses Werk. Aber wie er die Sonate spielt! Alles, alles ist wie neu. Wie schön, nein, wie wunderbar, der Teure, Teure!»Sascha verlor vor Aufregung fast den Verstand, ein verzücktes Zittern erschütterte ihren Körper. Dieses erste Largo , pianissimo , und dann das Allegro , so ausdrucksvoll. Wie, wo hatte Beethoven Saschas Gefühle erlauscht?«Er hat alles verstanden, und der Interpret versteht Beethoven, und ich verstehe sie beide, fühle sie und liebe sie…»Sascha blickte Iwan Iljitsch an, seine hin und her eilenden, ernsten Augen, seinen konzentrierten Gesichtsausdruck, seine schönen Hände. Unvermittelt schwand alles um sie herum.
«Bei Gott! Wohin?»Sascha war, als ob jemand sie, die Blinde, Schwache, in eine ihr unbekannte Welt entführt hätte…
Die Sonate erklang unter den Händen des Interpreten in ungekannter Schönheit, bedeutungsvoll und ergreifend.
«Dies alles ist mir derart nah…», fuhr es Sascha durch den Sinn.«Dereinst war alles so glücklich und gut. Doch wo war dies? Wann? Vielleicht an jenem Ort, von dem ich in dieses Leben gekommen bin, an dem alles unbestimmt, grenzenlos und außerhalb jeglicher Zeit ist?…»
Sascha versuchte, einen Blick Iwan Iljitschs zu erhaschen; doch seine ausdrucksvollen, ernsten Augen sahen nichts und niemanden.«Wohin? Wohin?», wiederholte Sascha in Gedanken, und langsam erhob sich in der Tiefe ihrer Seele ein feierliches Gefühl der Andacht. Sie richtete ihren Blick auf die Ikone, wie sie es als Kind getan hatte, und Gedanken über Gott, über das Glück des Glaubens, über die Unendlichkeit, den Tod und die Unsterblichkeit, über all das, was jenseits von Raum und Zeit liegt, erfüllten sie; sie gedachte ihrer verstorbenen Mutter, die in jene Unendlichkeit eingetreten war, und ihre Überlegungen fanden ein trostreiches Ende: Der Schmerz über den Verlust verging, es löste sich die wüste, peinigende Verzweiflung über die Vergänglichkeit und das menschliche Leben, das so voller Leiden, Verführungen und Übel war, alles wurde klar wie der Himmel nach einem Gewitter, wenn die Strahlen der Sonne die erfrischte Natur erleuchten.
Immer ausdrucksvoller und ergreifender strömten die Klänge unter
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