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Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Titel: Lied ohne Worte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja
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Iljitschs.
    Zwetkow, der sich in Kate verliebt hatte, brachte viel Fröhlichkeit und jugendliche Lebensfreude in ihre Gesellschaft. Pjotr Afanassjewitsch, der die Natur liebte, war selig, wenn er sich in Moskau frei machen und einige Zeit auf dem Land verbringen konnte. Er war bei den Ausflügen verantwortlich für Verpflegung und Amüsement: Er bewirtete alle großzügig, bereitete den Damen Sitzplätze, trug Jacken und Picknickkörbe sowie den kleinen Aljoscha, wenn er müde war; er sorgte für alle, half den Damen über Gräben und Gruben, und wenn sie bisweilen mit Körben voller Pilze nach Hause zurückgekehrt waren, machte er sich am Abend noch eigenhändig daran, die Pilze zu putzen, zog sorgsam die dicken Häute von den festen Köpfen ab und legte sie gemeinsam mit Parascha ein. Stolz zeigte er die Gläser allen im Haus, bevor er sie den Freunden und Bekannten schenkte.
    Saschas Verbindung zu Iwan Iljitsch gestaltete sich derart, dass sie ihr Herz mit überaus poetischen und erhabenen Erinnerungen erfüllte. Plötzlich schien alles auf der Welt Gemeinsamkeiten zu offenbaren. Jeglicher starke Eindruck der Natur schien in gleichem Maße auf sie beide zu wirken. Iwan Iljitsch kam zu dem Schluss, dass Saschas Liebe und Empfindsamkeit für die Musik wahrhaftig waren, und spielte ihr aus seinen eigenen Werken vor.
    «Wie komponieren Sie?», fragte Sascha noch einmal.«Gerade der musikalische Schöpfungsprozess hat mich schon immer interessiert. Ich bin imstande, die Kunst des Wortes zu begreifen, die der Musik hingegen überhaupt nicht.»
    «Nun, das ist schwer zu sagen, Alexandra Alexejewna, eine musikalische Idee erscheint diffus: Eine Melodie taucht auf… und man strengt sich gar nicht an, sie festzuhalten, sie im Gedächtnis zu behalten, und…»
    «Ja, und dann…?»
    «Später kann man sich dann nicht mehr von ihr befreien, sie wird zudringlich, und um sie herum gruppiert sich alles andere, harmonische Überlegungen kommen hinzu, und je weiter sie voranschreitet, desto leichter fällt die Arbeit…»
    «Und worin gründet beispielsweise die Dramatik jenes musikalischen Themas, das Sie gestern Abend spielten?»
    Iwan Iljitsch lächelte und antwortete nicht sogleich.«Ich las über die Geschichte der Skythen 27 , die mich mit ihrem Heldenmut beeindruckten: Sie wollten lieber sterben, als sich zu ergeben. Ich war selbst heroisch gestimmt und schrieb diese Passage…»
    «So lassen Sie sich also inspirieren?»
    «Mitunter.»
    «Und mir schien, wenn ich Sie so sehe, dass Sie alles kraft Ihrer Vernunft erschaffen. Dann verspüre ich das Bedürfnis, Sie aufzurütteln, Sie zu inspirieren…»
    «Das braucht es gar nicht, Alexandra Alexejewna, es ist besser, allem gegenüber Gelassenheit zu bewahren.»
    «Vielleicht ist in Ihrem alltäglichen Leben alles ruhig und gelassen, in der Musik hingegen nicht, in ihr sind Sie ein anderer, ihr haben Sie einen anderen Platz eingeräumt. Alles in Ihrer Musik ist so bedeutungsvoll, ja leidenschaftlich! »
    Iwan lljitsch wurde plötzlich ernst und schwieg.
    Sie erreichten das Haus, und Sascha fragte, indem sie sich zu Iwan Iljitsch umdrehte:«Kommen Sie mit zu uns?»
    «Selbstverständlich. Ich beabsichtigte, Ihnen heute den Beginn meiner neuen Sinfonie vorzuspielen. »
    «Oh, welches Glück!»
    «Ist das wirklich Glück?»
    Sascha antwortete nicht. Die größte Seligkeit lag für sie in dem beständigen Austausch von Gedanken, in ihren Gesprächen über die gemeinsamen Interessen.
    Der Sommer ging dahin; es dunkelte früher, regnerische Tage kamen; der harmonische Kreis derer, die im Verlauf des Sommers Freundschaft geschlossen hatten, versammelte sich nun des Abends im Haus, um einander vorzulesen, Schach zu spielen, zu musizieren und innige Gespräche über die Kunst zu führen, die häufig von Sascha angeregt wurden.
    Pjotr Afanassjewitsch, der all diesen Themen gleichgültig gegenüberstand, war erleichtert, dass Sascha fröhlich und wieder zu sich gekommen war; er verehrte Iwan Iljitsch dafür, dass dieser Sascha mit seiner Musik zu trösten vermocht hatte. Nach einigen heißen Tagen, die die Sommerfrischler tatkräftig genutzt hatten, indem sie schwimmen gingen und Ausflüge unternahmen, wurde es wieder kühl und trüb.
    Iwan Iljitsch wollte auf die Krim reisen, und Alexej Tichonytsch begann zu packen. Es kamen Wagen, um den Hausrat abzutransportieren, doch aus irgendeinem Grund zögerte Iwan Iljitsch die Abreise hinaus und blieb ganz ohne Möbel weiter im Sommerhaus

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