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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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lächelte und schüttelte schließlich den Kopf.
    »Nein, Leutnant, nichts zu machen. So geht das nicht. Ich singe keine Propaganda, auch wenn sie gut gemeint ist. Ich singe, was ich fühle.« Seine Stimme klang erstaunt. »Fröhliche Lieder, tja ... nein. Ich kann nicht. Die klappen nicht, nicht bei mir. Ich würde gern dran glauben, aber ich kann nicht, verstehst du? Und ich kann andere Leute nicht überzeugen, wenn ich es nicht kann. Das Leben hier ist ziemlich leer, so, wie ich das sehe. Und wird vermutlich nicht viel besser werden. Und ... nun, solange ich das so sehe, muß ich es so singen. Verstehst du?«
    Winters zog die Brauen zusammen.
    »So aussichtslos stehen die Dinge nicht«, sagte er. »Und selbst wenn es so wäre, können wir es nicht zugeben, oder wir sind erledigt.«
    Keith sah Winters an, dann mich, dann in den Brunnen hinunter. Er schüttelte wieder den Kopf und richtete sich auf.
    »Nein«, sagte er schlicht, leise, traurig. Und ließ uns am Brunnen stehen, um stumm durch die Felder zu laufen.
    Winters sah ihm nach, dann drehte er sich zu mir herum. Ich bot ihm noch Wasser an, aber er schüttelte den Kopf.
    »Was meinst du, Gary?« sagte er. »Hat das etwas für sich, was ich sage? Oder nicht?«
    Ich dachte über die Frage und den Fragesteller nach. Winters wirkte sehr bedrückt und sehr aufrichtig. Und die blonden Stoppeln an seinem Kinn zeigten, daß er alles versuchte, um sich einzufügen. Ich beschloß, ihm Vertrauen zu schenken, ein bißchen.
    »Ja«, sagte ich. »Ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber so einfach ist das nicht. Keiths Lieder sind nicht einfach Lieder. Sie bedeuten ihm etwas.« Ich zögerte, dann fuhr ich fort: »Schau, die Verwüstung war für alle die Hölle, das brauche ich dir nicht zu sagen. Aber die meisten von uns hier draußen haben diese Art von Leben gewählt, weil sie weg wollten von den Städten und dem, was sie darstellten. Die alte Zeit geht uns ab, gewiß. Wir haben Menschen verloren und Dinge, die wir schätzten, und vieles, was das Leben schön machte. Und die ständige Mühe oder das Leben in ständiger Angst vor den Rattenrudeln macht keinen Spaß. Trotzdem, vieles von dem, was wir hoch schätzen, ist hier in der Kommune, und soviel hat sich nicht verändert. Wir haben das Land und die Bäume und einander. Und eine gewisse Freiheit. Keine Verschmutzung, keinen Konkurrenzkampf, keinen Haß. Wir erinnern uns gern an die alte Zeit und an die guten Dinge in der Stadt – deshalb mögen wir Keiths Gesang –, aber das Leben jetzt hat auch seine Befriedigung.
    Nur- Keith ist anders. Er hat sich das nicht ausgesucht, er war nur zu Besuch hier. Seine Träume hatten alle mit den großen Städten zu tun, mit Poesie und Musik und Menschen und Lärm. Und er hat seine Welt verloren; alles, was er getan hat und tun wollte, ist fort. Und ... und, na ja, da war ein Mädchen. Sandra, aber er nannte sie Sandi. Sie und Keith lebten zwei Jahre zusammen, reisten miteinander, taten alles gemeinsam. Sie trennten sich nur einen Sommer, damit sie wieder aufs College gehen konnten. Dann wollten sie wieder zusammenkommen. Verstehst du?«
    Winters verstand.
    »Und dann die Verwüstung?«
    »Und dann die Verwüstung. Keith war hier, mitten im Nirgendwo. Sandi war in New York. Und so verlor er sie auch. Ich glaube manchmal, wenn Sandi bei ihm gewesen wäre, hätte er das andere verwunden. Sie war der wichtigste Teil der Welt, die er verloren hat, der Welt, die sie gemeinsam hatten. Wenn sie hier wäre, hätten sie sich in eine neue Welt teilen und neue Schönheiten und neue Lieder finden können. Aber sie war nicht hier, und ...« Ich zuckte die Achseln.
    »Ja«, sagte Winters ernsthaft. »Aber es sind vier Jahre, Gary. Ich habe auch viel verloren, sogar meine Frau. Aber ich bin darüber hinweggekommen. Früher oder später muß die Trauer aufhören.«
    »Ja«, sagte ich. »Für dich und für mich. Ich habe nicht soviel verloren, und du ... du glaubst, daß es wieder gut werden wird. Keith nicht. Vielleicht war es früher zu gut für ihn. Oder vielleicht ist er einfach zu romantisch. Oder er hat inniger geliebt als wir. Ich weiß nur, daß sein Traum-Morgen wie sein Gestern ist, und das meine nicht. Ich habe nie etwas gefunden, womit ich so glücklich sein konnte. Keith schon, oder er glaubt es jedenfalls. Spielt keine Rolle. Er will es wiederhaben.«
    Ich trank noch einen Schluck Wasser und stand auf.
    »Ich muß wieder an die Arbeit«, sagte ich schnell, bevor Winters das Gespräch

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