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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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»Das hätte ich fast vergessen. Das Badezimmer muss ich auch dauernd wischen.«
    Kopfschüttelnd wechselte er das Thema. »Ich entsinne mich gut an unser erstes Date. Weißt du noch, wir gingen ins Wachsfigurenkabinett und nahmen die Fähre nach Alcatraz. Gott, wir hatten Urlaub.«
    Evan nahm einen Bissen Krebsfleisch und stöhnte genießerisch. »Verdammt. Ich kann von diesem Zeug einfach nicht genug bekommen.«
    Sie gingen weiter spazieren, ließen die Gerüche und gedämpften Unterhaltungen auf sich wirken, die Reihen frischer Krebse in den Auslagen und die Verkäufer in ihren Schürzen, die an den Ständen spezielle Zubereitungsformen des allgegenwärtigen Meerestiers feilboten. Schließlich pfefferte Evan seine Serviette samt Schale in einen Mülleimer. »Möchtest du ins Wachsfigurenkabinett, um der alten Zeiten willen?«
    »Ist das dein Ernst?«, lachte Sarah, während sie ihn mit einem Seitenblick bedachte, um festzustellen, ob er sie hochnehmen wollte. Schon seit Jahren mieden sie diese Kitschausstellung mitten im Hafenviertel wie der Teufel das Weihwasser.
    »Ja, warum denn nicht?«, entgegnete er. »Bestimmt gibt es mittlerweile eine Figur von Johnny Depp, vor die du dich stellen und sabbern kannst.«
    Sie verdrehte die Augen. »Du willst ja bloß sehen, ob sie Paris Hilton im Angebot haben. Glaub mir, in dieser Ausstellung wird sie etwas anhaben.«
    Er grinste. »Ehrlich gesagt hoffte ich eher auf eine Retrospektive der besten Pornos mit Jenna Jameson. Das war noch eine Darstellerin.«
    Sie knuffte ihn in die Seite und zerrte an seiner Hand, um ihn zum Zebrastreifen zu lotsen. »Komm mit, bevor ich ernsthaft böse werde.«
    Das Gebäude wirkte uralt. Obwohl es Ende der 90er-Jahre komplett renoviert worden war, hatte man beim Hereinkommen das Gefühl, eine andere Welt zu betreten, in der die Zeit seit Jahrzehnten stehen geblieben war. Ob es nun an den Samtvorhängen lag, am angestaubten Inventar oder den Schatten, die düster auf allem außer den von Scheinwerfern angestrahlten Figuren lasteten – Evan kam sich jedenfalls vor, als hätten sie von der Straße aus geradewegs eine Reise in die Vergangenheit angetreten.
    »Wow, manche Dinge ändern sich wohl nie, was?« Sie standen vor einer Szene, die das Farmerpaar mit Heugabel aus dem Gemälde American Gothic von Grant Wood nachempfand. Die beiden Figuren blickten so finster, dass ihm unbehaglich zumute wurde.
    Sarah drückte seine Hand. »Die sehen ja aus wie wir!«
    »Was, zerknautscht und schrullig?«
    Sie lachte. »Nein, alt und immer noch verliebt, du Dummkopf!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
    »Hmmm«, erwiderte er, als sie ihre Lippen von seinen löste. »Ich bin mir nicht sicher, ob es vor dir jemals einer Menschenseele gelungen ist, American Gothic einen romantischen Aspekt abzugewinnen.«
    »Alles eine Frage der Perspektive«, erklärte Sarah. »Weißt du, du siehst in den beiden ein mürrisches, altes Paar, ich hingegen sehe zwei Leute, die gemeinsam das Leben gemeistert haben … und jetzt stehen sie da, das Werkzeug in der Hand, als wollten sie sagen: ›Na los, kommt schon! Versucht doch, uns aufzuhalten!‹«
    »Hm, ja«, murmelte Evan. »Ich bin überzeugt davon, dass Wood genau das ausdrücken wollte, als er das Bild malte. Komm weiter!«
    Sie gingen durch den Saal der Religionen, in dem unter anderem ein langer Tisch stand, an dem Christus und seine Jünger als Wachsfiguren zum Abendmahl versammelt saßen. »Das stand schon bei unserem ersten Besuch hier«, meinte Sarah.
    »Das stand wahrscheinlich schon vor 50 Jahren hier, als das Kabinett eröffnet wurde«, lachte Evan. »Ich wette mit dir, bis auf die Titanic-Darstellung steht hier nur oller Krempel rum.«
    »Ausgeschlossen! Beyoncé, Mike Myers, Angelina Jolie – ich habe übrigens genau gesehen, wie du ihre Lippen gemustert hast – hier gibt es jede Menge neue Figuren.«
    »Na ja, auf mich macht es trotzdem einen angestaubten Eindruck!«
    Sie umrundeten die roten Samtvorhänge und betraten das weite Rund der Kammer des Schreckens, in der Stapel von Totenschädeln die Wände säumten und eine Guillotine bereitstand. »Dieser Bereich ist deutlich größer geworden«, merkte Sarah an.
    Evan nickte, während er den grimmigen, irren Schädel des Wächters der Grabkammer aus HBOs Geschichten aus der Gruft auf sich wirken ließ. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass in einem Wachsfigurenkabinett ausgerechnet die Nachbildung einer Puppentrickfigur

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