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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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nichts dafür«, nickte er wie verrucht, als wäre ihm kein Geheimnis der Unterwelt fremd. »Schon in Ordnung. Ich werde das Ding einfach ausziehen, dann musst du nicht für den Rest des Abends den grünen Teufel bestaunen.«
    Unter dem Hemd trug Bill ein T-Shirt, das sich unglaublicherweise in einem noch schlimmeren Zustand befand. Früher einmal musste es weiß gewesen sein; die Brust zierte ein Zeichentrickhase. Eine seiner Pfoten hatte das Tier ausgestreckt, wie um jemandem die Hand zu schütteln. In der anderen balancierte es ein riesiges Hackebeil, das es sich selbst in die Brust gerammt hatte. Darunter stand der Spruch: KOMM ENDLICH ZUR SACHE.
    Das T-Shirt wirkte, als hätte Bill es gleich mehrfach als Staubtuch missbraucht. Es wies mehr als ein Dutzend Flecken auf und durch einige Löcher auf den Schultern konnte man seine Körperbehaarung erahnen.
    »Du meine Güte, Mann, müssen wir für dich sammeln gehen?«, wollte Evan wissen.
    »Es ist alles in der Wäsche«, erklärte Bill. »Jetzt weißt du, weshalb ich das Flanellhemd anhatte.«
    »Ja«, nickte Evan. »Du kannst es ruhig wieder anziehen.«
    »Zu spät«, entgegnete Bill. »Hier drin wird es langsam warm.«
    »Aus dir spricht doch bloß die Verlegenheit«, meinte Evan.
    Diesen Moment wählte die Bedienung, um vor ihnen aufzutauchen. »Was kann ich euch beiden Hübschen bringen?«, fragte sie und trippelte mit einem aufgesetzt wirkenden Lächeln von einem Fuß auf den anderen. Evan nahm an, mit dieser Masche wollte sie forsch wirken. Stattdessen erweckte sie mit dem sanften Schwingen ihrer Brüste in dem viel zu engen, schwarzen Oberteil den Eindruck, als müsste sie dringend aufs Klo.
    »Ein Red Hook«, orderte Evan, während Bill sich für ein Hacker-Pschorr entschied.
    »Von mir aus kannst du ruhig dein Angeber-Bier trinken«, lachte Evan. »Aber du siehst immer noch aus wie der letzte Penner.«
    »Ich bin nun mal ein Mann voller Gegensätze«, erwiderte Bill. »Wo wir gerade davon reden: Hast du noch mehr Fische auf deiner Veranda entdeckt?«
    Evan schüttelte den Kopf. »Nein, dafür aber heute einen Haufen tollwütiger Möwen.«
    Bill hob fragend eine Augenbraue und Evan schilderte ihm kurz die Vorfälle des Tages. Als er fertig war, brachte die aufgekratzte Bedienung gerade ihr Bier. Evan prostete seinem Freund zu und nahm einen tiefen Schluck. Die Geschichte zu erzählen, entfachte das Grauen des Vormittags von Neuem. Es juckte ihn am ganzen Körper, wo Dutzende von Vögeln ihre Klauen in seine Haut geschlagen hatten.
    Bill genehmigte sich ebenfalls einen ausgiebigen Schluck von seinem Hellen, ehe er unverblümt und in gewohnter Direktheit seinen Senf zu Evans Möwengeschichte dazugab.
    »Kumpel, du bist wirklich im Arsch!«
    »Und du wie immer ein Meister der treffenden Worte.«
    Bill schüttelte den Kopf, langte in seinen Rucksack, den er neben sich auf die Bank geworfen hatte, und zog ein Buch heraus, aus dessen Seiten drei rosafarbene Lesezeichen herausragten. Auf dem Cover war eine antike griechische Statue mit Flügeln und langen, gefährlich wirkenden Reißzähnen abgebildet. Der Titel lautete: MYTHEN UND MÖRDER – HISTORISCHE BERICHTE ÜBER TOD UND ENTSETZEN.
    »Nachdem du mir neulich von den Fischen erzählt hast, bin ich in die Bücherei gegangen und habe mir diesen Band ausgeliehen. Ich weiß, du möchtest nicht glauben, was ich dir über die Sirene erzähle. Darum dachte ich mir, wenn du das hier liest, ziehst du vielleicht endlich die Möglichkeit in Betracht, dass an meinen Warnungen doch etwas dran ist.«
    »Und warum sollte mich gerade dieser Schmöker überzeugen?«, fragte Evan.
    Bill blätterte zum ersten markierten Absatz des Buches und las vor: »›Die Sirenen traten in der griechischen Hochkultur erstmals in Gestalt von drei Schwestern auf, die sich in Vögel verwandeln konnten. Diese Geschöpfe sangen aufs Herrlichste, doch jeder Mensch, der sich von ihren kunstvollen Tönen anlocken ließ, kam auf grausame Weise durch ihre Hände ums Leben … genauer gesagt: durch ihre Schnäbel. Mit ihnen hackten die Sirenen ihre Opfer zu Tode, während sie ihren Gesang dabei ununterbrochen fortsetzten. Dieser wird als so betörend beschrieben, dass die Opfer erst unter Todesqualen wahrnahmen, in welch großer Gefahr sie schwebten. Doch dann war es in der Regel zu spät, sich noch in Sicherheit zu bringen und vor einem grauenvollen Schicksal zu bewahren.‹«
    Evan nickte kurz, als Bill zu lesen aufhörte, und nippte an seinem Bier.

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