Light & Darkness
ohnehin schon war. Jude hasste es, wenn man versuchte, ihn auf Grund seiner Krankheit zu schonen. Er wollte nicht bevormundet werden. Selbst damals im Krankenhaus, als die Leukämie diagnostiziert wurde, hatte Jude nur dann auf die Ärzte gehört, wenn ihm danach war. Obwohl er wusste, dass sein Leben davon abhing, denn Leukämie konnte trotz der magischen DNA der Paranormalen bis heute nicht geheilt werden. Schuld daran war eine Mutation der Krankheit um 2020. In Light keimte noch immer Wut, wenn sie dran dachte, dass Judes Selbstüberschätzung und sein eigener Starrsinn ihn damals beinahe das Leben gekostet hätten.
»Ich werde am Montag in die Schule gehen.«
»Wirst du nicht und wenn ich dich dafür ans Sofa binden muss.« Kane hielt Lights Fuß weiterhin in seinen Händen. Die Kälte seiner Fingerspitzen drang langsam durch den dünnen Stoff ihrer Socken. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Langsam zog Light ihren Fuß aus Kanes Händen. Ohne Eile verließ sie das Wohnzimmer, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken, während Jude und Kane lautstark diskutierten. Sie schlich den Flur entlang, warf einen letzten Blick hinter sich und verschwand nach oben. Vor ihrem Zimmer bemerkte sie erstmals die wummernden Bässe, die durch die Tür drangen. Eine verzerrte Melodie und ein Gesang, der sich anhörte, als wäre man dabei den Sänger zu ermorden, begleiteten den Bass.
Light seufzte und beschloss nachzusehen, ob Dante seine Einkäufe ordentlich verstaut hatte, bevor sie sich dem Geschrei eines pensionierten Sängers aussetzte. Zu ihrem Erstaunen lagen die Einkaufstaschen ordentlich zusammengefaltet auf dem Schreibtisch in Dantes Zimmers. Sie lächelte und nahm die Tüten vom Tisch, um sie in die Küche zu räumen, als ihr Blick auf den Inhalt des Mülleimers fiel.
Ihr Lächeln verhärtete sich und wich einem enttäuschten Ausdruck. Unter den Quittungen und der leeren Packung Kondome lag das Foto, das sie Dante geschenkt hatte – zerrissen. Ein hässlicherer Riss durchzog Kanes Gesicht und teilte es in zwei. Ein unerwarteter Kummer stieg in Light auf und schnürte ihr die Brust zu. Sie sah sich im Zimmer um und erblickte den Bilderrahmen direkt neben sich. Er lag auf den Schreibtisch, umgekippt und unbenutzt. Ein Knoten schnürte ihr die Kehle zu. In einer Mischung aus Trauer und Zorn ließ sie die Einkaufstüten achtlos auf den Boden fallen. Ihr war die Lust vergangen, für Dante aufzuräumen.
Sie stürmte in ihr Zimmer. Ein Beat, der sich kaum vom vorherigen unterschied, schlug ihr entgegen. Die Musik legte sich schmerzend auf ihr Trommelfell. Was man vor der Tür nur flüchtig hatte hören können, war in Wirklichkeit der reinste Lärm. Ihre Ohren schmerzen schon nach der ersten, ins Mikrofon gegrölten, Strophe des Sängers. Dante lag auf ihrem Bett. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und mit geschlossenen Augen lauschte er dem Krach.
Lights Herz begann wild zu schlagen und passte sich dem aggressiven Klang der Musik an. Der Bass durchlief ihren Körper und ließ ihr Innerstes beben. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Das Bedürfnis auf Dante loszugehen wuchs mit jedem Takt.
Wieso hatte er ihr Geschenk kaputtgemacht? Der Bass steigerte sich und dröhnte in Lights Kopf. Der Sänger gab einen grellen Schrei von sich. Die Melodie verklang und die Explosion einer detonierten Bombe leitete das Ende des Songs ein und schleuderte Light zurück in ihre Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, in der Dante Menschen das Leben rettete.
Die Wut fiel so plötzlich von ihr ab, wie sie gekommen war. Ihre Fäuste öffneten sich und sie konnte die Kerben sehen, die ihre Fingernägel hinterlassen hatten. Sie atmete tief ein und ging zur Stereoanlage, um die Lautstärke zu senken bevor, der nächste Song durch ihr Zimmer hallte. »Wollen wir deine Haare färben?«, fragte Light, denn sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen können.
Dante hob die Schultern, was im Liegen komisch aussah. »Ich hab nichts anderes vor.«
Light lächelte schwach. Im Badezimmer setzte sich Dante umgedreht auf den Wannenrand. Sie suchte ein paar alte Handtücher aus dem Schrank, um sie auf den Boden auszubreiten. Eines legte sie über Dantes Schultern, damit sich die Farbe nicht in seine Kleidung saugen konnte. Sie öffnete die Farbe und der süße Geruch von Kokos stieg in die Luft. »Bereit?«, fragte Light und zog die Handschuhe über. Sie stellte sich hinter Dante und wurde sich seiner Nähe erst bewusst, als sie auf ihn
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