Light & Darkness
breitete sich erneut in Jude aus. Er keuchte und riss an seinen Fesseln, die tiefer in sein Fleisch schnitten, je mehr er sich dagegen wehrte. Ein Schmerzensschrei stieg in ihm auf und Tränen traten ihm in die Augen.
Gerade, als er den Kampf gegen die Fesseln aufgeben wollte, öffnete sich die Tür erneut. Der Mann, der zuvor sein Erbrochenes aufgewischt hatte, kam zurück. Er betätigte zwei Schalter und Licht flutete den Raum. Jude kniff seine Augen zusammen und beobachte den Mann, wie er wortlos auf ihn zukam und den Koffer, den er bei sich trug, vor seine Füße stellte. Mit einem Klicken entriegelte er das Schloss und eine Vielzahl von Skalpellen, Zangen und anderen Gegenständen kamen zum Vorschein. Rost und Blut säumten die Klingen.
»Was haben Sie ...« Die Worte blieben Jude im Hals stecken.
»Wir schätzen es sehr, dass du mit uns zusammenarbeitest«, sagte der Mann. »Doch wie Crispin schon sagte, wir können nicht riskieren, dass uns jemand auf die Schliche kommt. Ich verspreche dir, so sanft wie möglich zu sein.« Fast glaubte Jude ein Lächeln zu sehen. Der Mann griff nach einem Skalpell und Jude wusste, dies war der schlimmste Tag seines Lebens...
21. K apitel
»Ist es einem Delegierten auf unbestimmte Zeit nicht möglich, den ihm zugeteilten paranormalen Bürger zu beaufsichtigen, wird dieser für die Zeit der Berufsunfähigkeit in eine Kolonie aufgenommen.«
(Buch der Delegation, Artikel 10)
Das Essen hatte keinen Geschmack. Mechanisch schob Light sich eine weitere Gabel Salat in den Mund, ein rein zweckmäßiger Vorgang, ohne Genuss. Es waren genau 45 Stunden vergangen, seit Jude verschwunden war und noch immer gab es keine Spur von ihm. Nachdem Dante seine Vermutung geäußert hatte, dass ihr Bruder bei seinem Vater war, wollte sie ihm das zuerst nicht glauben, doch in ihrem Innersten kannte sie die Wahrheit. Dante bestand darauf, dass Crispin Jude als Köder benutzte, um an ihn heranzukommen.
In den Nachrichten zeigten sie im Stundentakt Bilder von Jude und forderten die Bevölkerung auf, jeden Hinweis der Polizei zu melden. Es gab zahlreiche Hinweise, aber alle führten sie ins Leere.
Ihre Eltern waren ununterbrochen auf der Polizeistation. Sie diskutierten die Hinweise mit den Beamten, sprachen mögliche Strategien durch, wie man Jude finden könnte, und gaben den Reportern Interviews über das Verbleiben ihres Sohnes. Kane wurde in Gewahrsam genommen, das übliche Vorgehen, wenn ein Delegierter verschwand, ermordet wurde oder einfach starb.
»Möchtest du noch etwas Dressing?«, fragte Dante. Light schüttelte den Kopf und kaute auf ihrem Bissen Salat, bis nichts mehr davon übrig war, dass sie hätte runterschlucken können. Die Ungewissheit, ob er noch lebte oder nicht, nagte an ihr.
Dante ignorierte ihre Antwort und kippte ihr noch etwas von dem Dressing auf den Teller.
Seit Jude weg war fehlte Light jegliche Energie, am liebsten wollte sie den ganzen Tag nur im Bett verbringen, aber Dante hinderte sie daran. Er zwang sie dazu aufzustehen und schickte sie unter die Dusche, damit das Wasser ihrem Körper etwas Leben einhauchen konnte. Er kochte für sie und gab sein Bestes, um sie abzulenken. Light war ihm dankbar für alles, aber im Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als sich ihrem Schmerz hinzugeben.
»Schmeckt es dir?«, erkundige sich Dante und stellt die leere Dressingschale in das Spülbecken. Light nickte mehr aus Höflichkeit als aus Überzeugung, doch Dante durchschaute ihre Lüge, er seufzte und wandte sich dem Abwasch zu. »Wenn du wütend auf mich bist und möchtest, dass ich gehe, kannst du es mir sagen. Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt nicht in deiner Nähe haben möchtest.«
»Wieso soll ich wütend auf dich sein?«, fragte Light mit belegter Stimme. Die Worte klangen matt und fremd, als hätte nicht sie, sondern jemand anderes sie ausgesprochen. Jede Silbe war wie ein dumpfer Schmerz, der sie mehr und mehr Kraft kostete, bis nichts mehr davon übrig war.
»Ich bin sein Sohn, Light. Es ist meine Schuld, dass er auf Jude aufmerksam geworden ist.«
Light räusperte sich. »Es ist nicht deine Schuld.« Sie versuchte so überzeugt wie möglich zu klingen. Sie gab Dante nicht die Schuld an Judes Verschwinden, er sich allerdings schon. Als ihre Eltern Dantes Geständnis über die Censio hörten, waren sie zuerst sprachlos und stotterten Worte, die keiner verstehen konnte, ehe die Wut folgte. Wut auf Dante für das, was er war, Wut auf Light, dafür
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