Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
reagierte sofort. Seine Stimme und seine Sprechweise veränderten sich plötzlich. Schneller, als sie es ihm zugetraut hätte, schnitt er mit der Glasfeder in ihren Oberarm, dort, wo ihr Fleisch mit dem Metall zusammentraf, und ließ unter Flüstern einen weiteren unheimlichen Dschinn aus der Wunde erstehen. Auf seinen Befehl stürzte sich der Geist auf Zal, und wo er ihn berührte, lief das Blut schneller aus seinen Armen, und die kleineren Geister wurden zurückgedrängt. Aber gleichzeitig wurden sie größer und stärker. Ich hab doch gesagt, du sollst das in Schach halten! Tath war schon fast in Panik.
Ich brauche mal kurz meine Hand, sagte Lila. Sie drehte die Lautstärke noch weiter auf, als jetzt Zals Stimme in ihrem Kopf zu singen begann, steckte den Federhalter wieder in Taths Wamstasche und legte die Hand flach auf den Boden, wo sich zwischen ihnen und der Bruchlinie Wasser befand, auch wenn der See jetzt durch die Perlmuschel nicht mehr zu sehen war. Sie kanalisierte den Mode-X-Rock stoßweise nach unten, ins Wasser, zwei-, acht-, achtzehnmal. Wenn sie recht hatte, wenn sie es allmählich wirklich verstand, war Magie das Wesen, das sich ihrer bediente, und sein Wille, mehr nicht. Ein Kraftlied war ein Ruf, und sie rief jetzt.
Gib mir das wieder!, forderte Tath sofort ihre Hand zurück. Er ergriff Zals Handgelenk, setzte die Spitze der Kristallnadel auf die Vene in der Ellbogenbeuge und stach sie ein. Er brauchte nicht viel Druck anzuwenden, weil die Hohlnadel beim Kontakt mit der Haut sofort von selbst eindrang, als wäre sie lebendig.
Zal schrie auf, ein multitonaler Schrei der Pein, als Tath die Hohlnadel an seinem Arm festband. Leuchtend rotes Blut rann in das Auffangreservoir der Nadel, und wo dieses sich in Luft zerfächerte, huschten rote und goldene Flammen darüber. Aber es erschienen weder Rauch noch Geister. Mit dem Kristall lösten sich auch die Flammen in Luft auf – sie verschwanden aus Alfheim, wie Lila begriff.
Auf dem Weg in die Interstitial-Region, sagte Tath düster, während er das dämonische Flackern beobachtete. Es ist vollbracht, Bruder.
Ariës Gesang brach ab. Da war ein Geräusch wie die ferne Detonation einer unterirdisch gezündeten Atombombe, und eine Sekunde darauf ging eine ätherische Flutwelle durch sie hindurch, setzte Arië und Tath für einen Moment gleichermaßen außer Gefecht und löschte die umherhuschenden Geisterschemen aus. Nur der brennende Strom aus Zals Arm blieb. Zals Körper schien zu erzittern, als träte er in eine andere Realität über, und Lila sah einen Schatten über ihn fallen.
Es ist sein Tod, erklärte ihr Tath.
Mit der davonrollenden Welle verschwand auch der Schatten.
Im selben Moment stand Lila auf, ließ alle Tarnung fallen und aktivierte ihre Waffensysteme. Sie spürte in ihrem Körper das kühle Druckgefühl, das das typische Erkennungsmerkmal eines Zaubers war, und während ihre robotischen Bestandteile ihre Aktivität fortsetzten, erstarrten ihr Fleisch und ihre Knochen jäh in einem furchtbaren, übermächtigen Schmerz. Es traf sie nicht wirklich überraschend. Sie hatte schon befürchtet, dass entweder die Energie, die Arië für den Zauber hatte benutzen müssen, oder aber die Einmischung wilder Magie ihr Spiel verraten hatte.
Tath stellte die Schadensdiagnose, ehe sie es konnte.
Arië hat deinem Körper durch einen Bindezauber untersagt, sich gegen sie zu wenden. Über deine Metallteile hat sie keine Gewalt, nur über den Rest. Wenn du jetzt noch versuchst, physisch gegen sie vorzugehen, reißt du dich in Stücke.
Lila hielt nicht einmal inne. Noch während Tath sprach, schwenkte sie die Waffe von Arië weg, wodurch sie ihre Bewegungsfreiheit wiedererlangte, und schoss in den Boden. Die Geschosse drangen mühelos durch die Spannungsmembran, ohne sie zu zersprengen. Aber sie schwächten sie, dort wo sie sie durchschlugen, und Lilas Bein versank plötzlich bis zum Knie im bitterkalten Wasser des Sees. Sie hatte es fast geschafft.
In diesem Moment traf etwas die Perlmuschel mit ungeheurer Wucht von unten, und sie zersprang in eine Million glitzernder Scherben.
24
Lila fiel, weil das Wasser ihren Füßen keinen Widerstand mehr entgegensetzte. Da ihre KI mit maximaler Geschwindigkeit arbeitete, dehnte sich die Zeit für sie. Sie fühlte, wie der energetisch verstärkte, ätherisierte Wille der Fürstin sie und Tath in den See hinabstieß. Arië brauchte sie nicht mehr. Lila versuchte gar nicht erst, sich Ariës
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