Lila Black 02 - Unter Strom
Nichts hat mich auf dem falschen Fuß erwischt.«
»Du hast nie viel Zeit gebraucht.«
»Ha, nein«, sagte Max. »Aber der Punkt ist: Diesmal ist es schwerer. Ich habe dein Zimmer und die meisten deiner Sachen bekommen. Du weißt schon. Verschollen heißt tot. Und Mama und Papa waren immer so unverbesserliche Optimisten …« Sie legte sich vorsorglich die Hand auf den Mund, aber es schien keine Worte mehr zu geben, die man am Hervorkommen hindern musste.
Jetzt waren sie am Strand angekommen. Die Hunde tobten durch den Sand, fest entschlossen, sich zu amüsieren.
»Max, wie lange läufst du schon so nun?«, fragte Lila. Sie wollte ohne Umwege zur Sache kommen und versuchte, nicht zu bemerken, dass sie wie ihr Vater klang. Er hatte nie die Geduld besessen, wie eine Katze um den heißen Brei zu schleichen. Er war langsam, aber direkt. Sie war nicht langsam.
»So?« Max zupfte an ihrem Shirt und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie hustete dramatisch und lächelte zynisch über sich selbst. »Das ist einigermaßen frisch. Habe es erst vorvorgestern angezogen.«
Lila glaubte ihr. Max hatte nie viel Zeit für das Essen und die anderen Notwendigkeiten des Lebens gehabt.
»Hast du sie gefunden?« Sie musste sich sehr überwinden, dies zu fragen.
»Ja. Und ich habe noch etwas gesehen.« Sie wurde noch bleicher und zitterte im prallen Sonnenlicht. »Es war im Raum. Hm! Erinnerst du dich an die Zeit vor der Bombe? Nichts davon war real.« Sie klang wie weggetreten und suchte nach Lilas Hand, ergriff sie und stieß sie dann im Ärger wieder von sich im Bestreben, nicht schwach zu wirken.
Lila tat es in der Seele weh, aber sie wusste, dass jede Zärtlichkeit nun verschwendet wäre, und verschob es auf später. Sie blieb bei den brutalen Fakten. Zäh gefiel Max sich am besten. »Was hast du gesehen?«
»Einen riesigen … großen …« Sie hob die Hände und knirschte mit den Zähnen, suchte nach Worten. »Blauweiß, wie ein großer Hund, aber mit einem schlangengleichen Hals, und er … oh, erinnerst du dich an diese violetten Lampen in Nachtclubs, die das Weiß der Zähne leuchten lassen? So hat er geleuchtet. Als hätte er eine Art negatives Licht an sich oder so. Darin war er eingehüllt. Es sah aus, als wäre er gar nicht wirklich da, aber das war er. Und er hat mich angesehen, Lila; hat mich direkt angesehen, als habe ich ihn bei etwas ertappt. Ich schätze, das stimmt auch. Er hatte große gelbe Augen und ein schlangenartiges Gesicht. Und dann verschwand er langsam. Und dann waren sie … tot.«
Sie lachte freudlos auf und wandte sich dann ernst an Lila. »Aber natürlich konnte er nicht da gewesen sein. Ich habe es mir eingebildet. Das hat die Polizei gesagt. Sie sagten, sie müssten eine Autopsie durchführen, weil es seltsam war, aber sie haben immer weiter Fragen nach Eindringlingen, Fremden, Leuten gestellt. Ich habe ihnen gesagt, dass es keine Leute waren.«
»Er war dort«, sagte Lila, schaute ihrer Schwester voller Überzeugung und, wie sie hoffte, aufmunternd in die Augen. Sie konnte es nicht ertragen, sich diese Abartigkeit vorzustellen, die Max hatte mit ansehen müssen, den Schrecken und dann die Tage allein, in denen nur die Fragesteller um sie waren. Sie musste sie beschützen, aber etwas davon war wahr, egal, wie sehr jemand es vertuschen wollte oder warum. »Er war dort. Ich habe ähnliche Dinge gesehen.« Und sie betete, dass sie nicht schuld war. Wie könnte sie das zugeben?
Max nickte stumm und ging weiter durch die Dünen, stolperte ab und an, wenn der Sand unter ihr nachgab. Lila wollte dann immer zupacken, aber sie ergriff ihren Ellenbogen doch nicht. Der unebene Boden war sehr trocken. Lila sank tief ein und glitt dann und wann aus. Ihre Hüfte schmerzte, und die Muskeln, die noch immer daran befestigt waren, zogen schmerzhaft, als sie ein letztes Mal ausrutschte, bevor sie den ebeneren Strand erreichten.
»Bist du darum hier? Diese Frau … habe ich schon mal gesehen«, sagte Max matt. »Sie war hier, um … sie war hier, als man sie abholte. Sie nahm Sachen aus dem Haus mit. Ich wollte mit in den Krankenwagen, aber sie verbot es.«
Lila zog im Geiste einen dicken schwarzen Kreis um Delaware und malte ihn schwarz aus. »Sie gehört zur Regierung.«
»Ich dachte, du wärst die Sekretärin eines Diplomaten?«
Vor ihnen schnüffelten Buster und Rusty in den angeschwemmten Algen und dem Treibholz.
Sie liefen langsam, gleichmäßig; schauten sich nicht an.
»Das war ich. Sie gehört
Weitere Kostenlose Bücher