Lila Black 02 - Unter Strom
man sie nicht immer erkennen, in Dämonia offensichtlich schon.
Lila hatte ihn schon eine ganze Weile betrachtet und bemerkte, dass er sich dann und wann veränderte, Gliedmaßen ausformte, die an Finger oder Tentakel erinnerten, oder schwammartige, diffuse Auswüchse, die sich ausbreiteten, oder andere Formen; wie ein Rorschach-Test. Bei seinem Anblick erinnerte sie sich an Zals Berührung und erschauderte.
»Zhid’nah«, sagte die Elfe. »Tubuuk nan shivvuthek. Zhayadbhalja mik seppukha.«
Lila hatte diese Sprache noch nie gehört, aber Tath übersetzte nervös: Sie bittet um Gnade zu Lasten ihrer Ehre. Sie bittet dich, ihr etwas zu schreiben zu bringen, damit sie ihr Todesgedicht schreiben kann, und um etwas Scharfes, mit dem sie ihr Leben ehrenvoll beenden kann.
Ich werde sie nicht töten. Gib mir die Worte dafür …
Tath versorgte Lilas Geist mit den richtigen Sätzen und leitete ihre Lippen und ihre Zunge bei den seltsamen Silben an. Sie musste nur denken, was sie sagen wollte, und schon sprach sie es, beinahe korrekt, aus: »Du bist im Augenblick meine Gefangene. Man wird dir nichts antun.«
Die Elfe seufzte und sagte angewidert: »Das hast du nicht zu entscheiden. Du kannst mich in diesem Land nicht schützen.«
»Natürlich kann ich das …«
Die Elfe öffnete zum ersten Mal die Augen. Sie waren durchgängig weiß mit schmalen Schlitzen in der Mitte, und sie musste stark gegen das Licht anblinzeln. Ihre Stimme klang verächtlich: »Du hast Glück, dass du noch lebst. Die Aura des weißen Dämons hat meinen Schuss abgelenkt. Es war ein guter Schuss. Dein Tod lag in meinen Händen.«
»Wo wir grad davon sprechen«, sagte Lila. »Warum willst du mich tot sehen?«
»Nicht ich will es«, sagte die Elfe, schloss die Augen wieder und wandte den Kopf vom Fenster ab. »Ich bin die ausführende Hand eines anderen. Wenn du mich nicht tötest, werden es die Dämonen tun, und wenn sie es nicht tun, macht er es, und tut er es nicht, mache ich es selbst. Bring mir einen Stift und Papier. Ich fordere einen letzten Wunsch.«
Ermögliche ihr auf keinen Fall, Symbole zu malen. Sie ist vielleicht aufrichtig, was ihren Todeswunsch angeht, aber ich bezweifle, dass sie allein gehen will.
»Genug«, sagte Lila. »Ich wollte dich zum Markt schleifen und einen Spruch kaufen, der dafür sorgt, dass du in meiner Nähe bleibst, wo ich dich sehen kann. Dann wollte ich doch lieber einen haben, der dich zu meiner Wache macht, so in der Art von Tu-mir-nichts. Dann wollte ich noch einen hinzufügen, der dich dazu bringt, die Wahrheit zu sagen. Aber mittlerweile habe ich die Nase voll von der ganzen Angelegenheit.«
Sie setzte sich an das Fußende des Betts und schaute auf die Wände mit den schönen Tapeten, die wunderbaren Vorhänge, die sanft geschwungene, majestätische Schönheit aus aufeinander abgestimmten Rot- und Ockertönen, die das ganze Zimmer in Form von Möbeln, Dekorationen und Platzierung der Dinge durchzog. Sie schaute die Elfe nicht an, sprach aber voller Überzeugung.
»Du willst nicht darüber sprechen, aber ich will es. Du willst mich aus Gründen töten, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe, und du kennst mich überhaupt nicht, also kannst du mir genauso gut auch zuhören. Ich bin jetzt seit ein paar Wochen hier. Das meiste von dem, was hier passiert, kriege ich nicht mit, weil ich keine Magie beherrsche. Alles hat irgendeine Bedeutung. Der Stuhl da drüben zum Beispiel hat eine bestimmte Bedeutung, an die ich mich nicht mehr erinnere. Es hat etwas zu tun mit dem Fluss des Äthers hier im Raum, aber auch mit der Bedeutung des Wartens und Ausruhens im Verhältnis zur Luft da draußen.
Siehst du, ich verstehe das meiste von dem nicht, was Dämonen tun, ich weiß nur, dass es wichtig für sie ist, wie der Tisch gedeckt wird, und dass sie unbedingt aus Leidenschaft töten müssen und dass diese beiden Dinge in etwa gleichrangig sind. Nun, für mich ist das ganz und gar nicht das Gleiche, aber was kann ich dagegen tun? Sorcha sollte mir hier helfen, aber sie will immer nur auf Partys und zu Vorführungen gehen. Ich habe das Gefühl, sie will mich von etwas ablenken. Und das ist blöd, weil ich sie mag, aber ich glaube, sie steht mir im Weg.
Und ihr Elfen – nun, ich weiß auch über euch so gut wie nichts. Ich weiß, dass es Tag- und Nachtarten oder -rassen oder -kulturen oder irgendeine andere Art der Unterscheidung gibt und dass es Kasten und Hierarchien gibt, die euch verklemmt wie sonst was
Weitere Kostenlose Bücher