Lila Black 02 - Unter Strom
und ihre Kunden empörten sich, als sie vorbeikam, aber einige waren so sehr in das vertieft, was sie taten, dass sie nicht bemerkten, wie sie durch das Zimmer sauste. Aber irgendwann erreichte sie einen Raum, in dem es nur eine Tür gab – die, zu der sie hereingekommen war. Kaum war sie über die Schwelle getreten, erkannte sie ihren Fehler.
Eine Traube protestierender Dämonen hatte sich hinter ihr gesammelt, die sie bis hierher verfolgt hatte, aber kaum betrat sie diesen Raum, wandten sie sich wortlos ab. Im Gegensatz zu den anderen Zimmern gab es in diesem hier nur eine Lampe, die ein leicht violettes Schimmern von sich gab, kaum hell genug, dass sie etwas erkennen konnte. Der Raum war groß, und es roch darin moschusartig und trocken. Hier gab es keinen Weihrauch. Farben bewegten sich über die Wände, allesamt Schattierungen von Schwarz. Sie bewegten sich nach Mustern, die Symbole formten und wieder auflösten und wie zufällig Bilder erschufen, wenn sie aneinander vorbeiglitten.
Erst dachte sie, der Raum wäre leer, aber dann hörte sie eine Bewegung in der am weitesten entfernten Ecke in der Dunkelheit. Sie sah dorthin und konnte gerade so ein lilafarbenes Schimmern erkennen, das über einen dunklen Leib glitt; ein Stachel, eine Schuppe und dann ein pechschwarzes Auge.
Raus!
Sie hatte Taths Stimme so lange nicht mehr gehört, dass sie davor erschrak. Für einen Augenblick erstarrte sie, und während dieses Moments hörte sie das Zischen von Luft, die in einem langen Atemzug durch schmale Nasenlöcher gesogen wurde. Etwas Vergängliches, ein Geisterschleier, strich über die verletzte Haut ihrer Schulter. Vor ihr bildeten die Farben auf der Wand ein Bild von plötzlicher Klarheit, matt und kaum zu erkennen, aber eindeutig vorhanden.
Raus! Sofort!
Aber sie konnte sich nicht bewegen. Sie war gefesselt vom Anblick ihrer Mutter vor der Küchenspüle. Sie trug ein Nachthemd, und ihre Hände zitterten. Sie hielt ein Glas in der einen und ein offenes Pillendöschen in der anderen. Lila wusste, dass es 2014 war, ein Jahr vor der Bombe; sie war ein kleines Mädchen, und es war die Nacht, in der Großmutter gestorben war. Klassische Musik klang aus dem Radio, ein Lied, das sie nun wieder hörte – Clair De Lune. Sie hasste diesen Song.
Ihre Mutter sah sie an, über die Zeit hinweg, über die Nacht hinweg. Sie hob das Döschen und leerte die Pillen in den Abfluss. Sie wurden nicht mehr gebraucht. Sie erzeugten ein leises, metallisches Klimpern auf dem Metall der Spüle, genau wie sie es in jener Nacht getan hatten. Der Kran wurde automatisch aufgedreht, und Wasser spülte sie in den Müllzerkleinerer. Es gab ein Geräusch wie Zähneknirschen. Die Farben waren so dunkel, dass die Augen ihrer Mutter wie schwarze Löcher wirkten, ihr Mund ein schwarzer Strich, wie bei einem Totenschädel.
Das ist einer deiner Kernpunkte, blaffte Tath, kalt und mächtig, mit einer befehlsgewohnten Stimme, von der Lila froh war, sie zu hören. Komm in die Gänge, bevor der Anker geformt wird. Denk an eine andere Zeit.
Da die Assoziation so naheliegend war, dachte sie an Tath, was zu der Nacht führte, in der sie sich trafen, in der er starb … Ihre Mutter verschwand, und sie sah den bleichen, toten Leib dort liegen, mit einem Messer in der Brust …
Nicht das!
Mittlerweile wusste sie dank der KI und ihres Instinkts, dass sie den Weg eines Nekromanten gekreuzt hatte. Die otopischen Daten über solche Leute umfassten nicht viel mehr als eine Namensliste und ein paar Spekulationen. Sogar Tath selbst hatte niemals etwas über seinen Beruf preisgegeben. Nur in dem Moment, als er Teazles Bruder getötet hatte. Die blasse Leiche hatte sich bereits aufgelöst und war durch den verdrehten Leib des Dämons ersetzt worden, dessen Blut sie an sich kleben spürte …
Das auch nicht!
Sie begriff. Nichts, was mit Tod zu tun hatte. Aber kaum versuchte sie, nicht an den Tod zu denken, da schossen ihr alle Tode, von denen sie wusste, wie eine Kugel durch den Kopf. Ihr wurde schlecht. Um sie herum verdichtete sich die Dunkelheit, als der Dämon das gewaltige Potenzial spürte … Äther wallte wie heißer Dampf auf und schmerzte, wo zuckende Tentakel auf ihre Haut peitschten und die elementare Natur ihres Metalls untersuchten.
Es sucht nach einem Eintrittspunkt in deine Lebensmatrix. Wenn du uns retten willst, dann denke an die Lebenden!
Lila roch Zitronenschale. Die Möglichkeit für ein Spiel wuchs im selben Moment, in dem sie spürte,
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