Lila Black 02 - Unter Strom
merkte, dass sie sich nach seiner Stimme sehnte, denn dann hätte sie eine Entschuldigung für eine wirklich grausame Rache gehabt. In diesem Moment verwandelte sich ihre etwas beschämende Bewunderung für die Dämonen in ein deutlich komplizierteres Gefühl, das sich durch ein kleines, schreckliches Loch auch auf alle anderen Magieanwender ausweitete. Ein Vorurteil, dessen sie sich nicht bewusst gewesen war, eine Angst, von der sie nicht überzeugt war, trieb aus einem dunklen Samen Blüten und schlug in ihr Wurzeln.
Ihre Kehle wurde trocken und zog sich zusammen. Wie dumm war sie gewesen, sich vom oberflächlichen Zauber des Dämonenuniversums einfangen zu lassen. All ihre Kunst, die ganze Hingabe an das Schöne und das Streben nach Wissen, nach intellektueller und spiritueller Größe, ihre konkurrenzlose Begeisterung für jede Erfahrung im Streben nach wahrer Größe … und dabei hatten sie ihr die ganze Zeit das hier verschwiegen.
Und Zal war einer von ihnen.
Das Interesse daran, hier einen Spruch zu finden, der ihr bei dem lächerlichen Problem mit der Elfengefangenen helfen sollte, schwand. Sollte die dumme Frau doch ihr Glück im Ahriman-Haus versuchen oder beim Warten verhungern. Sie hatte die Entscheidung selbst getroffen, als sie beschlossen hatte, dass es eine gute Idee war, Lila zu erschießen.
Und Sorcha … Lila konnte kaum glauben, dass sie jemals eine solche Nähe zu ihr gespürt hatte. Das war alles eine falsche Fassade gewesen, eine Lüge, die etwas so Hässliches wie die wahre Natur der Dämonenmagie verbarg. Ariës Gewalt und Intrigen, als sie versucht hatte, Zal als Opfer zu missbrauchen, um so die Verbindung zwischen Alfheim und den anderen Reichen zu zerstören, nun, das war nur die Spitze des Eisbergs der Verdorbenheit im Vergleich zu diesem alltäglichen Geschäft. Arië war, obwohl geistig krank, praktisch eine Heilige. Kein Wunder, dass die Elfen diese Rasse verabscheuten und sie als unheilbar verdorben bezeichneten.
Sie suchte mit allen technischen und geistigen Mitteln verzweifelt nach einer Erklärung, die dem Albtraum den Schrecken nehmen würde, aber sie fand keine. Es war, als wäre sie durch den Vorhang in eine andere Realität getreten. Sie fragte sich, ob Sorcha versucht hätte, dies zu verbergen, wenn sie danach gefragt hätte … Über diesen Ort stand nichts in ihren Datenbanken. Bietet die Touristikorganisation auch Ausflüge hierher an?
Sie wollte lachen, damit sie den Schmerz nicht länger erdulden musste, den es bedeutete, nicht zu lachen. Sie fühlte sich, als stürzte sie in ein tiefes schwarzes Loch, und der Kreis der bekannten Welt, der als Licht über ihr sichtbar war, schrumpfte immer weiter. Es geschah langsam, aber schon jetzt konnte sie den Moment absehen, in dem sie sich in einen unkenntlichen Punkt verwandelt hätte. Zum ersten Mal, seit sie erwacht war, nachdem Dars Magie sie in Stücke gerissen hatte, erschien es ihr möglich, dass der Punkt eines Tages ganz verschwinden könnte.
»Jetzt ist kein guter Zeitpunkt für eine Existenzkrise«, flüsterte der Kobold. »Du bist in der Nähe der Hellsicht von Madame Des Loupes. Ihr Haus steht gleich um die Ecke, und man sagt, die Klarheit ihrer Sicht sei innerhalb des Suks makellos, wenn man ihr erst einmal aufgefallen ist, und es gibt keine Chance, dass ein hübscher Freak wie du ihr entgehen könnte.«
Lila fühlte Panik in ihrer Brust aufwallen. Sie blieb mitten auf der Straße stehen. Ein Feenmann stieß von hinten gegen sie, murmelte mürrisch etwas und zog die Nase hoch, als er an ihr vorbeischwebte. Als er sie anschaute, war die Iris seiner menschlichen Augen nur ein Nadelstich in einem blauen Feld. Er wischte sich die Nase ab und bewegte sich eilig weiter. Sie betrachtete ihn, sah, dass er leicht schwankte. Seine Aufmerksamkeit galt etwas ganz anderem. Ihr fiel auf, dass sie hier und in der Stadt schon andere in diesem Zustand gesehen hatte. Sie waren überall, und sie hatte es einfach für einen Teil des dämonischen Lebensalltags gehalten, dass Leute Drogen nahmen oder ihr Bewusstsein auf viele Arten erweiterten, genauso, wie sie Kaffee trank. Sie hatte angenommen, dass sie anders als Menschen waren, viel fähiger und selbstbeherrschter, erleuchtet und gelehrt, stets im Bilde darüber, was sie taten und was es bedeutete. Aber jetzt sah sie keine aufregenden Reisen zu ätherischer Macht und Weiterentwicklung des Selbst vor sich. Sie sah einen Süchtigen, der im Kampf mit seinem Zwang selbstvergessen
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