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Lila Black 02 - Unter Strom

Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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hatte, er könnte eine Spur wilder Magie finden und sie nutzen, um einen Kreis des Übergangs oder des Schutzes zu schaffen. Aber hier gab es nichts Wildes. Er hörte und spürte wenige Zentimeter entfernt die Vibrationen eines kleinen Kieselsteins, der von einem Klumpen Matsch ausgestoßen wurde und gegen etwas Hartes, aber Leichtes und Bröckeliges stieß. Er ertastete die Formen seines Sitzplatzes. Es fühlte sich an wie leichtes Holz, das man in eine runde Form geschnitten hatte … Er hielt ein Schulterblatt in den Händen. Es war so groß wie sein eigenes. Es war überhaupt seinem eigenen sehr ähnlich.
    Er legte es vorsichtig ab und schloss die Augen, um auf das Aufgehen des Mondes oder die Dämmerung zu warten, was auch immer zuerst kommen würde. Um nicht zwanghaft über Schulterblätter und ihre früheren Besitzer und ihr mögliches Schicksal nachzudenken, summte er sich ein Liedchen vor, und dann wurde daraus, ganz mühelos, das Schreiben eines Songs, was ihn so vereinnahmte, dass er für eine Zeit all seine Sorgen vergaß.
     
    Lila erreichte das Ahriman-Anwesen in der Abenddämmerung. Sie hatte einen Umweg über das öffentliche Badehaus in Magisteria gemacht, einem Musikerviertel, und hatte dort die Reihe von Becken mit zunehmend heißer und ätzender werdendem Wasser genutzt, um sich auch den letzten Rest des Nekromanten aus dem Haar und der Kleidung zu waschen. Ihre internen Systeme hatten sie vor der Verätzung gewarnt und eine Menge Kleingedrucktes über irgendeine Verletzung der Garantiebestimmungen ausgeworfen, sodass sie schließlich aufgegeben hatte. Der Kobold war nicht mehr als ein unwichtiger Schmerz an ihrer Ohrmuschel. Tath grübelte – ein smaragdfarbenes Gewicht in ihrem Herzen.
    Sie schwebte dank ihrer Jetstiefel in Sicherheit, weit über den abendlichen Massen an Dämonen, die auf dem Weg nach Hause zunehmend die Straßen und die Stadtluft füllten.
    Sie hatte noch immer den Kadavergestank von Madames Gefährten in der Nase. Oder der Wind blies von den Gebeinhäusern an der südlichen Küste herüber, wo die Schlachtereien sich dem seewärts wehenden Wind öffneten; trocknendes Fleisch, frisches Fleisch, das ausblutete, Fleischstücke, die vergraben wurden und vor sich hin faulten, bis sie reif genug für den Verkauf waren. Es gab auch abgehangenes oder mit Fliegenlarven durchsetztes Fleisch oder welches mit Maden, aus denen speziell gezüchtete Fliegen- und Wespenlarven schlüpften, die dann mit dem Fleisch zusammen oder für sich, lebend oder geröstet, serviert werden konnten. Sie hatten alles nur Vorstellbare mit dem Fleisch angestellt. Natürlich hatten sie das.
    Kochen war eine Kunst, und jede einzelne Tätigkeit dabei war wiederum eine Kunst – Kuchen mit Glasur zu verzieren, beispielsweise, oder die Drüsen von Borwespen zu entnehmen.
    Lila blieb in der Luft stehen, kurzzeitig wie erschlagen von den gewaltigen, üppigen Details über Dämonenküche, die ihre KI beim Stichwort Beinviertel lieferte. Kochrezepte. Und dann erhob ihr olfaktorisches Modul Einspruch und teilte mit, dass die Welt nicht so roch, nur weil Mama Azuga wieder mal Blutwurst mit ekligen Rippen kochte. Ein Teil des Geruchs kam aus dem Haus.
    Lila wurde langsamer und näherte sich mit vorsichtiger Aufmerksamkeit. Sie zoomte das Haus heran und sah, dass die meisten Wachen und Diener draußen standen oder an Türen und Fenstern. Tath entrollte sich, als er ihre Befürchtungen spürte, und breitete sich ein wenig in ihrem Torso aus, verband sein spektrales Ich mit ihren verzauberten Metallen, stimmte sich mit einer Subtilität auf sie ein, von der sie jetzt erst erkannte, dass er sie beinahe perfektioniert hatte. Sie bemerkte kaum etwas.
    Zwei Dämonen in der dunkelbraunen Flamme der Regierungspolizei kletterten an einer Leiter von einem kleinen Luftschiff mit dem Emblem der Abteilung für öffentliches Recht auf das Dach des Anwesens herab. Eine Gestalt kam heraus, um sie zu begrüßen – Sorcha. Ihr roter und schwarzer Leib wurde fast vollständig von weißen Roben der Trauer verhüllt, und man erkannte sie nur an ihrem darunter hervorragenden Schwanz mit der Skorpionspitze. Sie alle gingen hinein, und die Diener machten das Luftschiff an den Dachankern fest.
    Lila, die noch immer von ihrer gerechten Wut auf Madame angetrieben wurde, landete vorsichtig und ging auf das Haus zu, um herauszufinden, was hier los war. Auf dem Weg schauten alle Diener sie an und wandten sich dann noch eifriger ihren Aufgaben zu.

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