Lila Black 02 - Unter Strom

stammen.«
    Herr Kartoffelkopf schien sich da nicht so sicher zu sein. Sein Starren blieb unbewegt.
    »Sie sind zu alt.« Aber dessen war Zal sich gar nicht so sicher. Je länger er das Ganze betrachtete, umso eher war er geneigt zu glauben, dass der Alterungsprozess in Zoomenon sehr irreführend sein könnte. Die Knochen könnten noch relativ jung sein. Oder das Ergebnis von etwas sehr Altem, sehr Mächtigem und sehr Seltsamem. Tiefe Beunruhigung zwang ihn, sich an Ort und Stelle zu setzen. Er nahm den Oberschenkelknochen eines Skeletts zu seinen Füßen auf, und er war sehr leicht. Die Flammen an seinen Fingern tanzten über den Knochen. Seine elfischen Fähigkeiten erlaubten es ihm, die latente Energie in der zerbrechlichen Struktur zu erspüren. Die holzartige, beinahe papierne Struktur enthielt gerade genug Energie, um sie intakt zu halten. Sie zerfiel nicht, er schon. Warum nur?
    Er nahm einen anderen Knochen auf, dann einen weiteren und fand bei allen das Gleiche vor. Nach einer Weile erinnerte er sich an einen Zauber, dem er in seiner Zeit beim Geheimdienst Alfheims begegnet war. Von einem Agenten des Jayon Daga erwartete man, dass er keine Informationen an den Feind verriet. Wenn man gefangen wurde und eine Folter zu erwarten war, der man nicht widerstehen konnte, ohne Hoffnung auf Flucht, brachte man sich um. Aber zuerst verzauberte man seinen Körper und versiegelte einen Teil davon gegen den Zerfall, formte den Äther so um, dass er Informationen über die Gefangennahme und einen Teil des Gedächtnisses speicherte, damit ein anderer Agent diese später eventuell auffinden konnte … einer, der den passenden Zauber kannte, um die Information zu entschlüsseln.
    Er könnte schwören, dass diese Knochen nur deshalb hier waren, weil man einen solchen Zauber gesprochen hatte. Aber sie alle? Es gab im ganzen Daga nicht so viele Agenten.
    »Ich frage mich, ob man den Zauber auch auf anderes anwenden kann«, fragte er seinen Assistenten, der weiterhin auf die Überreste der Toten starrte. »Daran habe ich nie gedacht. Aber wenn man wüsste, dass sie sterben würden … wenn man wüsste, dass man ihre Erinnerungen für eine lange, lange Zeit bewahren wollte, so lange wie möglich … Dann würde man den Zauber bei den Knochen anwenden, denn die halten am längsten.«
    Er schaute über das Feld, und es veränderte sich vor seinen Augen. »Man verzaubert sie alle. Man ist jedes Mal vor Ort. Das ist die einzige Möglichkeit, um jemandem mitzuteilen, was man getan hat; darauf zu hoffen, dass sie gefunden werden; darauf zu hoffen, dass jemand weiß, was er da vor sich sieht. Das muss ein Agent sein, sehr unwahrscheinlich, aber man macht es bei allen. Man will es jemandem mitteilen. Aber man hört nicht damit auf. Warum nicht?«
    Der Erdelementar trat steifbeinig neben ihn und setzte sich, wobei er seine Beine absorbierte und zu einem Klumpen mit Armen wurde. Er hob einen Knochen auf und hielt ihn, wie es Zal getan hatte.
    »Und weitere Fragen ergeben sich, Herr Kopf«, sagte Zal. »Warum sollte man sich die Mühe eines so ausgeklügelten Todes machen? Wenn man sie tot sehen wollte, warum sie dann nicht auf dem üblichen Wege umbringen? Was ist an diesem Ort so besonders?« Er schaute den Elementar an und fand die Antwort so plötzlich, als hätte das Wesen sie ausgesprochen. »Genau«, stimmte er zu. »Weil hier niemand herkommt, und wenn doch, dann bleibt er nicht lange. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die Leichen hier findet, ist praktisch gleich null.« Er beugte sich zu dem kleinen Wesen hinüber und hielt ihm die Hand hin: »Willkommen im Praktisch-gleich-null-Club, Kumpel. Gute Arbeit.«
    Und dann war er noch erstaunter, denn er erinnerte sich auch nicht daran, dass jemals so viele Leute verschwunden wären. Es sei denn …
    Dar war Zals einziger direkter Kontakt zu den Nächtlichen gewesen. Er hatte in Augenblicken der Verbitterung ein- oder zweimal von einem seit langem vergessenen Teil der Geschichte der Dunklen gesprochen, den man das Dreschen nannte. Zal hatte dem damals keine besondere Aufmerksamkeit gezollt. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Ausbildung zu überleben und dann genug Macht zu sammeln, um seine eigenen Pläne zu verfolgen. Er war an der Geschichte der Nächtlichen nicht sonderlich interessiert gewesen. Sie waren eine andere Spezies, und das reichte ihm an Informationen. Es war in der Atmosphäre der Verachtung für Dar und seine Art, die von den dominanten lichten Elfen