Lila Black 03 - Elfentod
erschlagen«, sagte er. »Da haben wir dann wohl einiges zu erklären.«
»Sie haben angefangen«, sagte sie. »Ich bin nur aus meinem Zimmer rausgegangen, sie waren es, die uns angegriffen haben, um uns tot oder lebendig gefangen zu nehmen.«
»Stimmt«, sagte er. »Ich frage mich, wer dieser Jack ist. Das ist ein verbreiteter Feenname. Vielleicht eine Lokalgröße. Im Feenreich dreht sich alles um lokale Größe, soweit ich gehört habe.«
Der Kobold brummte zustimmend. »Früher war das anders«, sagte er. »Früher gab es mal eine Königin und einen König, und alles hatte seine Ordnung. Heute nicht mehr. Jetzt gibt’s lauter Straßenräuber.«
»Was ist mit dem König und der Königin passiert?«, fragte Lila.
»Sie haben sich zerstritten«, sagte der Kobold, plötzlich weniger mitteilsam.
»Da muss mehr dahinterstecken«, widersprach sie, aber er ließ sich nicht locken, und Elfen kannten die Antwort darauf nicht. Zal sagte bloß: »Das war vor langer Zeit. Niemand spricht darüber. Die Feen haben ihre Magie wegen der damaligen Geschehnisse niedergelegt. Das Feenreich ist seitdem nicht mehr, was es einmal war, und die Feen sind nicht mehr annähernd so mächtig.«
»Wollen sie die Macht nicht zurück?«
»Einige sicher«, sagte er und lief schneller. Bald joggten sie, und dann rannten sie den Berg hinab bis zu den ersten kleinen Senken in den Ausläufern der Hügellandschaft.
Sie folgten einem schmalen Weg, den sie bereits eine Weile genutzt hatten, doch nun blieben sie ruckartig stehen. Sie befanden sich in einem lichten Wald aus schlanken, schwarzen Bäumen, der sich auf den verschneiten Hügeln erstreckte. Der Weg blieb unverändert, und auch die Fußspuren darauf waren noch zu sehen. Die Bäume waren ebenfalls nicht plötzlich aufgetaucht. Es war eher so, als wären sie die ganze Zeit da gewesen und sie hätten sie jetzt erst bemerkt. Lila blickte über die Schulter zurück, ohne sich umzudrehen, und sah, dass Bäume auf dem Weg standen. Über ihnen ragten die dünnen Äste in den Himmel voll tiefhängender, weißer Wolken. Schnee wehte dort, ohne zu ihnen herabzusinken. Es gab keine Spur mehr von dem offenen Moor, durch das sie gerade noch gelaufen waren. Sie warfen sich einen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass sie beide zur gleichen Zeit das Gleiche gespürt hatten.
»Das ist doch mal was«, sagte Zal leise, und seine Ohren drehten sich, was bei einer weniger martialischen Erscheinung hätte komisch wirken können.
Der Kobold stieß einen ängstlichen Laut aus.
»Was ist hier los?«, fragte Lila.
Sie verstummte, denn jetzt erklang das stampfende Geräusch eines huftragenden Tieres von erheblicher Größe, das sich näherte. Erst schien es von Westen zu kommen, dann von Osten, dann von Norden, dann von Süden, dann aus allen Richtungen zugleich. Ein warmer Windhauch zog vorbei und ließ den Frost schmelzen, was sie feucht und von tropfenden Bäumen umgeben zurückließ. Ein Schwarm grauer Vögel flog herbei und setzte sich in die Bäume ringsum, aber als Lila sie sich genauer ansehen wollte, flatterten sie schon wieder auf und landeten weiter entfernt. Sie waren nicht wirklich verängstigt, wie sie da standen. Doch dann drehte sich Lila wieder der Richtung zu, aus der sie gekommen waren. Sie traf fast der Schlag, weil sich ein Gesicht wenige Zentimeter vor ihrem befand. Es war ein Frauengesicht, aber es war fast unsichtbar, weil die dahinterliegende Landschaft darauf abgebildet wurde. Nur eine kleine Bewegung hatte sie verraten.
Zal versteifte sich, als er sie ebenfalls bemerkte. Der Kobold kreischte auf und sprang in die Luft.
Die Augen der Frau zuckten zum Kobold, dann wieder zu Lila. Sie trat beiseite und ein Stück der Landschaft, in Frauengestalt, bewegte sich mit, wurde dreidimensional. Ihre Haut sah aus, als sei sie bemalt. Jetzt, wo sie sich bewegte, veränderte sich das Bild darauf nicht. »Ich bin Gulfoyle«, sagte sie und musterte sie neugierig aus schwarzbraunen Augen. »Wer seid ihr?«
»Zal Ahriman«, sagte Zal leichthin, war aber alles andere als locker.
»Ein Elf, aber ein seltsamer«, sagte die Frau, der die kühle Feuchtigkeit wohl trotz ihrer Blöße nichts ausmachte. Dann wandte sie sich mit einer ruckartigen, an einen Vogel erinnernden Bewegung wieder Lila zu. »Und du?«
»Lila Black«, sagte Lila. Sie war sich mit einem Mal der Kugeln in ihrer Tasche bewusst, die sie noch nicht gesäubert hatte. Sie machte ohne Grund Anstalten, sie vorzuzeigen, hielt sich dann
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