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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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fahre!« Das Rad wurde zu einem majestätischen Hengst. Mit hoch erhobenem Kopf fuhr sie dahin wie der Wind.
    Tory wachte auf dem Boden neben ihrem Auto auf, ihre Muskeln zitterten und ihr Puls raste. Schmerzhafte Freude erfüllte ihr Herz.

16
     
    Erst kurz bevor Cade klopfte, fiel Tory das Abendessen wieder ein. Sie hatte gerade noch Zeit, sich das Gesicht zu waschen, aber überhaupt keine Zeit, sich eine Entschuldigung auszudenken, mit der sie ihn wieder wegschicken konnte.
    Nach dem Tränenausbruch fühlte sie sich völlig leer, und der Rückfall in Hopes Vergangenheit bereitete ihr Unbehagen und Kummer - aber auch eine gewisse Erregung. Das war das Seltsamste daran. Die leise Erregung über die erste Fahrt allein auf dem Fahrrad, die Freude darüber, über diesen hübschen, schattigen Weg zu radeln, während Cade nebenherlief und sie mit seinen blauen, fröhlichen Augen anlachte.
    Die Liebe, die sie für ihn empfand, die unschuldige Liebe einer Schwester, strahlte immer noch in Tory und mischte sich auf gefährliche Weise mit ihren eigenen Empfindungen, denjenigen einer Erwachsenen, die nichts mit Verwandtschaft zu tun hatten.
    Die Kombination machte sie verletzlich, und eigentlich war es klüger, allein zu bleiben, bis das Gefühl wieder verging.
    Sie würde ihm einfach sagen, sie sei zu müde und erschöpft, um etwas zu essen. Das war zumindest nicht gelogen.
    Cade war ein vernünftiger Mann. Fast schon zu vernünftig. Er würde sie verstehen und in Ruhe lassen.
    Als Tory die Tür öffnete, stand er da mit einer Auflaufform in der Hand. Die Nachbarn bringen zum Totenmahl etwas zu essen mit, dachte sie. Nun, sie war todmüde, also passte es ja wohl.
    »Viele Grüße von Lilah.« Er trat ein und reichte ihr die Form. »Sie hat gesagt, jemand, der so hart arbeitet wie du, sollte nicht auch noch kochen müssen. Du sollst das in den
    Kühlschrank stellen und einfach warm machen, wenn du das nächste Mal nach Hause kommst.« Er betrachtete sie prüfend. »Sieht aus, als wäre das heute Abend schon soweit.«
    Ja, er ist fast zu vernünftig, dachte sie. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie sehr mich der Tag heute geschafft hat. Ich bin völlig abgeschlafft.«
    »Du hast geweint.«
    »Verspätete Reaktion. Reine Erleichterung.« Tory trug die Form in die Küche und überlegte, was sie als Nächstes tun musste. »Es tut mir Leid wegen heute Abend. Es war eine nette Idee, auszugehen und zu feiern. Vielleicht können wir ja in ein paar Tagen ...« Als sie sich umdrehte, prallte sie gegen ihn, weil er ihr hinterher gekommen war. Er drückte sie gegen die Theke.
    Auf einmal empfand sie Lust.
    »Du hattest heute ja auch eine Menge zu tun.« Er ließ ihr keinen Raum, stützte beide Hände rechts und links auf der Theke ab und fing sie einfach ein. Misstrauisch blickte sie ihn an. »All diese Leute und die Erinnerungen, die sie mitbringen.«
    »Ja.« Sie wollte sich losreißen, merkte aber, dass sie nicht weg konnte. »Mir kam es so vor, als ob alle Erinnerungen wie von einer Steinschleuder auf mich abgefeuert würden.« Verlegen stellte sie fest, dass sie ihn begehrte.
    »Und alle waren sie schmerzlich.«
    »Nein.« O Gott, berühr mich nicht, dachte sie, aber da glitten seine Hände bereits über ihre Arme. Alles in ihr begann zu pulsieren. »Es war wundervoll, Lilah wieder zu sehen ... und Will Hanson. Er sieht mittlerweile genauso aus wie sein Vater. Als ich ein kleines Mädchen war, hat Mr. Hanson - der alte Mr. Hanson - mir immer Grape Nehi auf Kredit gegeben, wenn ich nicht genug Geld hatte. Und das war oft der Fall. Cade ...«
    Sie sagte seinen Namen beinah flehend.
    Tory zitterte. Seine Hände erregten sie. »Mir hat gefallen, wie du heute ausgesehen hast. So ordentlich und frisch. Äußerlich ganz ruhig und kühl. In solchen Momenten frage ich mich immer, was wohl unter der Oberfläche vor sich geht.«
    »Ich war nervös.«
    »Das hat man dir nicht angemerkt. Nicht so wie jetzt. Wehr dich nicht, Tory. Lass die Wand einstürzen. Ich will sehen, was dahinter ist.«
    »Cade, in mir ist nichts.«
    »Warum zitterst du dann?« Er zog ihr das Band aus den Haaren und hörte, wie sie scharf die Luft einsog. Er blickte sie unverwandt an und sah, wie ihre Pupillen dunkel wurden, als er mit gespreizten Fingern durch ihre Haare fuhr und den festen Zopf löste. »Warum hältst du mich nicht auf?«
    »Ich ...« Ihre Knie wurden weich. Sie hatte ganz vergessen, wie schön das Gefühl war. Sich zu ergeben war nicht immer Schwäche.

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