Lilien im Sommerwind
Lawrence bewegte sich nie sonderlich schnell. Das erklärte wahrscheinlich, warum sie immer so aussah, als sei sie gerade anmutig der Vogue entstiegen.
Für den heutigen Termin hatte sie ein blassblaues Kostüm gewählt, dazu Perlen, die ihr wahrscheinlich von ihrer Urgroßmutter vermacht worden waren, und hochhackige Pumps, bei deren Anblick sich Torys Zehen schon verkrampften.
»Huh!« Abigail wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, als sei sie gerade zwei Meilen gelaufen. »Diese Hitze, und dabei ist es erst April.« Sie blickte an Tory vorbei in den Kombi und musterte die Kisten. »Das ist alles?«
»Ja. Danke, Abigail, dass Sie sich um alles gekümmert haben.«
»Sie haben das meiste ja selbst erledigt. Ich weiß nicht, wann ich jemals einen Klienten hatte, der auch nur die Hälfte der Zeit wusste, wovon ich redete, geschweige denn einen, der mir etwas beibringen konnte.«
Sie spähte noch einmal in den Kombi hinein und schien leicht überrascht zu sein, dass das, was eine Frau zum Leben brauchte, so wenig Platz einnehmen konnte. »Ich habe nicht geglaubt, dass Sie es ernst meinten, als sie sagten, sie wollten noch heute Nachmittag aufbrechen. Ich hätte es besser wissen müssen.« Ihr Blick glitt wieder zu Tory. »Sie meinen es immer ernst, Victoria.«
»Ich habe keinen Grund zu bleiben.«
Abigail öffnete den Mund, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ich wollte gerade sagen, dass ich Sie beneide. Sie nehmen nur das mit, was in Ihr Auto passt, und brechen auf an einen neuen Ort, in ein neues Leben, einen neuen Anfang. Und ich, ich tue gar nichts. Nicht ein kleines bisschen. Du meine Güte, wie viel Energie man dafür braucht, und wie viel Mut! Aber Sie sind ja auch noch jung genug, um beides im Überfluss zu haben.«
»Vielleicht ist es ein Neubeginn, aber ich kehre eigentlich zu meinen Wurzeln zurück. Ich habe schließlich noch Familie in Progress.«
»Wenn Sie mich fragen, braucht man mehr Mut, um zu seinen Wurzeln zurückzukehren, als irgendwo anders hinzugehen. Ich hoffe, Sie sind glücklich, Tory.«
»Mir geht es gut.«
»Wenn es einem gut geht, ist das eine Sache.« Zu Torys Überraschung ergriff Abigail ihre Hand und hauchte einen leichten Kuss auf ihre Wange. »Glücklich sein ist das andere. Seien Sie glücklich.«
»Das habe ich vor.« Tory wich zurück. Die Art, wie Abigail ihre Hand hielt, die Sorge in ihren Augen beunruhigte sie. »Sie wussten es«, murmelte Tory.
»Natürlich wusste ich es.« Abigail drückte Torys Finger leicht, bevor sie sie losließ. »Auch Nachrichten aus New York finden ihren Weg hier herunter, und ab und zu finden sie sogar Beachtung. Sie haben Ihre Frisur und Ihren Namen verändert, aber ich habe Sie erkannt. Ich erinnere mich gut an Gesichter.«
»Warum haben Sie nichts gesagt? Mich nichts gefragt?«
»Sie haben mich engagiert, damit ich mich um ihre Geschäfte kümmere, und nicht, damit ich darin herumschnüffele. Ich habe mir gedacht, wenn Sie gewollt hätten, dass die Leute wissen, dass Sie die Victoria Mooney sind, die vor ein paar Jahren in New York Aufsehen erregt hat, dann hätten Sie schon etwas gesagt.«
»Ich danke Ihnen.«
Torys Zurückhaltung und die förmliche Antwort brachten Abigail zum Grinsen. »Um Himmels willen, Schätzchen, glauben Sie, ich werde Sie fragen, ob mein Sohn jemals heiratet oder wo, zum Teufel, ich den Diamantverlobungsring meiner Mutter verloren habe? Ich weiß, dass Sie schwere Zeiten durchgemacht haben, und ich hoffe, dass es jetzt für Sie leichter wird. Also, wenn Sie da oben in Progress Probleme haben sollten, rufen Sie mich einfach an.«
Reine Freundlichkeit machte Tory immer verlegen. Sie tastete nach der Autotür. »Danke. Vielen Dank. Ich fahre jetzt besser. Ich muss noch ein paar Zwischenstopps einlegen.« Sie streckte der anderen Frau erneut die Hand entgegen. »Ich danke Ihnen für alles.«
»Fahren Sie vorsichtig.«
Tory schlüpfte auf den Fahrersitz, zögerte und öffnete dann das Fenster, während sie bereits den Wagen startete. »In der mittleren Schublade Ihres Aktenschranks in Ihrem Arbeitszimmer zu Hause, zwischen D und E.«
»Was ist da?«
»Der Ring Ihrer Mutter. Er ist Ihnen ein bisschen zu weit und ist Ihnen vom Finger gerutscht. Sie hätten ihn kleiner machen lassen müssen«, erwiderte Tory rasch und fuhr aus der Parklücke, während Abigail ihr verwirrt nachblinzelte.
Tory fuhr in westlicher Richtung aus Charleston hinaus und bog dann nach Süden ab, um ihre geplante Route hinter
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