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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wünschte, ich könnte es.« Sie stand auf. »Nein, ich wünschte, ich könnte mir nur über ihn Gedanken machen, dann wäre ich wenigstens abgelenkt. Warum fühle ich mich bloß so schuldig?«
    »Ich weiß nicht, Tory. Warum solltest du?«
    »Ich habe Sherry Bellows kaum gekannt. Ich habe noch nicht einmal eine Stunde mit ihr verbracht, sie hat mein Leben kaum gestreift. Mir tut Leid, was ihr passiert ist, aber muss das bedeuten, dass ich darin verwickelt werde?«
    »Nein.«
    »Das ändert doch auch nichts daran, was ihr passiert ist. Nichts, was ich tue, ändert etwas daran. Was soll das also? Und auch wenn Chief Russ behauptet, er sei offen für meine Fähigkeiten, wird er am Ende genauso wie alle anderen reagieren. Warum soll ich mich da hinein begeben, wenn sie am Ende doch nur alle über mich lachen und mir nicht glauben?«
    Sie wandte sich zu ihm. »Hast du gar nichts dazu zu sagen?«
    »Ich warte ab, bis du dir darüber klar wirst.«
    »Du hältst dich wohl für sehr klug, was? Du denkst, du kennst mich gut. Du kennst mich überhaupt nicht! Ich bin nicht nach Progress zurückgekommen, um eine tote Freundin zu rächen. Ich bin hierher gekommen, um mein Leben zu leben und mein Geschäft zu führen.«
    »Schon gut.«
    »Red nicht in diesem geduldigen Tonfall mit mir, wenn deine Augen mir sagen, dass du mich für eine Lügnerin hältst.«
    Sie war so erregt, dass er aufstand und zu ihr trat. »Ich bin doch bei dir.«
    Tory blickte ihn an und ließ sich dann in seine Arme sinken. »O Gott.«
    »Wir gehen hinunter und sagen es dem Chief. Ich bleibe bei Dir.«
    Tory nickte und ließ sich von ihm wiegen. Und sie akzeptierte die Tatsache, dass er sie womöglich nie wieder im Arm würde halten wollen, wenn sie erst einmal in Sherry Bellows' Wohnung gewesen war.

22
     
    »Brauchen Sie noch etwas, bevor wir hineingehen?«
    Tory kämpfte immer noch mit ihrer Nervosität, aber sie begegnete Carl D.s Blick gleichmütig. »Meinen Sie vielleicht eine Kristallkugel? Oder Tarot-Karten?«
    Er war durch die Haustür hineingegangen, wie sie ihn gebeten hatte. Dann hatte er die Terrassentür von innen entriegelt, das Siegel entfernt und war auf die Terrasse getreten, wo sie mit Cade wartete.
    Wenn man durch die Hintertür eindrang, war die Gefahr nicht so groß, dass man gesehen wurde. Das hatte auch der Mörder gewusst.
    Jetzt schob Carl D. seine Mütze zurück und kratzte sich am Kopf. »Sie sind wahrscheinlich ziemlich sauer auf mich.«
    »Ja. Sie haben mich zu etwas gedrängt, das ich nicht will. Für mich wird es nicht angenehm werden und für Sie möglicherweise nutzlos.«
    »Miss Tory, in der Gerichtsmedizin liegt eine junge Frau in Ihrem Alter auf dem Tisch und wird gerade obduziert. Morgen früh kommt ihre Familie. Das ist für uns alle nicht besonders angenehm.«
    Er wollte, dass sie dieses Bild vor Augen hatte. Tory nickte anerkennend. »Sie sind ein härterer Mann, als ich gedacht habe.«
    »Und Sie sind eine härtere Frau. Wir haben vermutlich beide Gründe dafür.«
    »Reden Sie jetzt nicht mehr mit mir.« Tory öffnete die Tür und trat ein.
    Zunächst konzentrierte sie sich auf das Licht. Es dauerte lange, bis sie etwas sagte. In dieser Zeit nahm sie das auf, was im Zimmer war.
    »Sie mochte Musik. Sie mochte Geräusche. Sie war nicht gern allein. Sie hatte gern Leute zu Besuch. Stimmen, Bewegung. Sie fand das faszinierend. Sie redete gern.«
    Auf dem Telefon lag Staub. Tory merkte gar nicht, dass sie sich die Finger schmutzig machte, als sie darüber fuhr.
    Wer war Sherry Bellows? Das war das Wichtigste.
    »Gespräche waren für sie wie Nahrung. Ohne sie wäre sie verhungert. Sie lernte gern Menschen kennen, hörte ihnen gern zu, wenn sie von sich redeten. Sie war sehr glücklich hier.«
    Sie schwieg und ließ ihre Finger über Bilderrahmen, eine Stuhllehne gleiten.
    »Die meisten Menschen wollen eigentlich nicht hören, was andere zu erzählen haben, aber bei ihr war das anders. Sie stellte keine Fragen, um dann von sich zu reden. Sie hatte so viele Pläne. Unterrichten war für sie ein Abenteuer. Sie konnte den Kindern so viel beibringen.«
    Sie ging an Carl D. und Cade vorbei. Obwohl sie wusste, dass sie da waren, wurden sie immer unwichtiger für sie.
    »Sie las gern«, sagte Tory leise, während sie zu einem billigen Eisenregal voller Bücher trat.
    Sie sah Bilder vor ihrem geistigen Auge, Bilder einer jungen Frau, die Bücher ins Regal stellte, sie herausholte, sich mit ihnen in dem Stuhl auf der Terrasse

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