Lilien im Sommerwind
das Haus bleibt immer gleich. Das hat etwas von einem Wunder.«
Es bedeutete ihm viel, dass sie mit Entzücken in ihrer Stimme von seinem Haus sprach. »Meine Vorfahren waren selbstbewusst und humorvoll. Das hat sich wohl im Haus niedergeschlagen.« Cade hielt an und stellte den Motor ab. »Komm mit hinein, Victoria.«
Ihr Lächeln erlosch. »Du willst scheinbar unbedingt Probleme bekommen.«
Er stieg aus dem Wagen, trat zur Beifahrertür und öffnete sie. »Ich bitte die Frau, die ich liebe, in mein Haus.« Er ergriff ihre Hand und zog sie aus dem Auto. Sie musste daran denken, wie eigensinnig er sein konnte. »Wenn es Probleme gibt, werden wir schon damit fertig.«
»Für dich ist es leichter. Du stehst auf festem Boden, aber ich muss immer aufpassen, wohin ich meine Schritte setze.« Sie blickte ihn an. »Ist es so wichtig für dich, dass ich mit hineinkomme?«
»Ja.«
»Gut, aber denk an meine Worte, wenn ich stolpere.«
Sie gingen die Stufen zur Veranda hinauf. Tory erinnerte sich daran, wie sie hier mit Hope gesessen hatte. Sie hatten Jacks gespielt oder eine ihrer Schatzkarten studiert. Große, hohe Gläser mit Limonade. Plätzchen. Der Duft von Rosen und Lavendel.
»Abenteuer«, sagte Tory leise. »Das war unser Passwort. Wir wollten noch so viele Abenteuer erleben.«
»Das werden wir jetzt auch.« Er küsste ihre Hand. »Dieses Abenteuer hätte ihr gefallen.«
»Ja, vermutlich. Obwohl sie sich nicht viel aus Jungen machte.« Tory lächelte mühsam, während er die Tür öffnete. Ihr Herz schlug viel zu schnell. »Cade ...«
»Vertrau mir«, sagte er und zog sie hinein.
Drinnen war es kühl. Immer war es kühl, frisch und von Duft erfüllt. Sie erinnerte sich, dass ihr das früher immer wie Magie vorgekommen war. Nie drang die stickige Hitze von draußen ein, nie hingen die Gerüche des Abendessens in der Luft.
Und sie dachte daran, wie sie schon einmal mit Cade hier gestanden hatte. »Du warst groß für dein Alter.« Sie bemühte sich, ganz ruhig zu sprechen. »Du kamst mir immer so groß und hübsch vor. Der Prinz aus dem Schloss. Das bist du immer noch. Hier hat sich so wenig geändert.«
»Tradition ist für die Lavelles wie eine Religion. Sie wird uns von Geburt an eingeimpft, was sowohl ein Trost als auch eine Falle sein kann. Komm mit in den Salon. Ich hole dir etwas Kaltes zu trinken.«
Sie durfte nicht in den Salon, und fast hätte sie das auch gesagt, hielt es jedoch im letzten Moment zurück. Sie durfte nur durch den Hintereingang in die Küche. Lilah gab ihr Eistee oder Coca-Cola, ein Plätzchen oder sonst eine Süßigkeit. Und wenn sie beim Saubermachen half, dann bekam sie einen Vierteldollar für ihre Sparbüchse.
Aber in die Räume der Familie durfte sie nicht.
Entschlossen drängte Tory die alten Bilder zurück und konzentrierte sich auf das Jetzt. Auf einem wunderschönen Tisch neben der Treppe stand eine Vase voller Lilien.
Sie verströmten einen sehr weiblichen Duft. Daneben befanden sich blaue Kerzenleuchter mit großen weißen Kerzen. Sie waren noch nie angezündet worden. Rein, perfekt und unberührt.
Wie eine Fotografie, dachte Tory. Jedes Stück, jedes Arrangement so, als sei es schon seit Jahrzehnten da.
Und nun trat sie in das Bild hinein.
Als sie und Wade auf die Tür zugingen, erschien Margaret oben an der Treppe.
»Kincade.« Ihre Stimme klang scharf. Mit hoch erhobenem Kopf kam sie die Treppe herunter. »Ich würde gern mit dir sprechen.«
»Natürlich.« Er kannte diesen Ton, dieses Auftreten und bemühte sich erst gar nicht um ein höfliches Lächeln. »Ich wollte Tory gerade den Salon zeigen. Komm doch zu uns.«
»Ich würde es vorziehen, unter vier Augen mit dir zu sprechen. Bitte komm herauf.« Sie drehte sich um, sicher, dass er ihr folgen würde.
»Das wird leider warten müssen«, erwiderte er freundlich. »Ich habe einen Gast.«
Abrupt blieb Margaret stehen. Ihr Kopf fuhr herum, und sie sah gerade noch, wie Cade Tory in den Salon führte.
»Cade, tu das nicht. Es gibt keinen Grund dazu.«
»Es gibt einen sehr wichtigen Grund. Was kann ich dir anbieten? Lilah hat sicher Eistee in der Küche und in der Bar steht bestimmt auch Mineralwasser.«
»Ich möchte nichts. Benutz mich nicht als Waffe. Das ist nicht fair.«
»Liebling.« Er küsste sie auf die Stirn. »Das tue ich nicht.«
»Wie kannst du es wagen?« Margaret stand auf der Schwelle, blass und mit blitzenden Augen. »Wie kannst du es wagen, mir so die Stirn zu bieten, und dann auch
Weitere Kostenlose Bücher