Lilien im Sommerwind
ich dir hinstelle.«
»Ich habe langsam das Gefühl, er kommt auf Sie.«
»Warum auch nicht? Schließlich habe ich ihn großgezogen. Ich will ja nichts gegen Miss Margaret sagen, aber manche Frauen sind eben nicht zur Mutter geschaffen. Sie sind deswegen nicht schlechter, sie sind eben so.«
Lilah holte eine Schüssel aus dem Kühlschrank und zog die Haube ab. »Das mit deiner Mutter tut mir Leid.«
»Danke.«
Schweigend stand Lilah einen Moment lang da und blickte Tory freundlich an. »Manche Frauen taugen eben nicht dazu, Mutter zu sein«, sagte sie noch einmal. »Deswegen segnet Gott auch die Kinder, die es alleine schaffen, wie es in dem Lied heißt. Du schaffst es allein, Liebes. Das hast du immer schon getan.«
Und zum ersten Mal, seitdem Tory vom Tod ihrer Mutter gehört hatte, kamen ihr die Tränen.
Cade ging zuerst in den Salon. Seine gute Erziehung ließ es nicht zu, dass er einen alten Freund der Familie nicht begrüßte.
»Richter Purcell.«
Gerald drehte sich um. Als er Cade sah, entspannte sich sein strenger, nachdenklicher Gesichtsausdruck ein wenig. »Ich habe gehofft, heute Morgen mit dir sprechen zu können. Hast du einen Augenblick Zeit?«
»Natürlich.« Cade trat ein und setzte sich auf einen Sessel. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
»Ab und zu plagt mich meine Arthritis ein wenig. Das Alter.« Gerald winkte ab. »Man denkt immer, so etwas passiert einem nie, und dann wacht man eines Morgens auf und fragt sich, wer, zum Teufel, der alte Mann in dem Rasierspiegel ist. Nun.« Gerald legte seine Hände auf die Knie. »Ich kenne dich, seit du auf der Welt bist...«
»Also brauchen Sie auch nicht darum herumzureden«, beendete Cade den Satz für ihn. »Ich weiß, dass meine Mutter mit Ihnen über eine Änderung ihres Testaments gesprochen hat.«
»Sie ist eine stolze Frau, und sie macht sich Sorgen um dich.«
»Ach, tatsächlich?« Cade zog die Augenbrauen hoch. »Das braucht sie nicht. Mir geht es gut. Mehr als gut. Und es wäre ebenso unangebracht, wenn sie sich um Beaux Reves sorgen würde«, fuhr er fort. »Wir haben ein sehr gutes Jahr. Es ist sogar noch besser als das letzte.«
Gerald räusperte sich. »Cade, ich habe auch deinen Vater lange gekannt und war mit ihm befreundet. Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, was ich dir jetzt sage. Wenn du deine persönlichen Pläne zurückstellen könntest und dir noch etwas Zeit zum Nachdenken ließest, wäre das sehr hilfreich. Ich bin mir deiner Bedürfnisse und Wünsche bewusst, aber wenn diese Wünsche über die Pflicht und vor allem über die Familie gestellt werden, so kann nichts Gutes daraus entstehen.«
»Ich habe Tory gebeten, mich zu heiraten. Ich brauche dazu weder den Segen meiner Mutter noch den Ihren. Ich kann es nur bedauern, wenn Sie ihn mir verweigern.«
»Cade, du bist ein junger Mann, das Leben liegt noch vor dir. Als Freund deiner Eltern bitte ich dich doch nur, dir Zeit zum Nachdenken zu lassen. Zeit, die du in deinem Alter noch hast. Denk an die Tragödie, die nun in Tory Bodeens Leben aufgetreten ist. Eine Tragödie, die deutlich zeigt, wer sie ist und wo sie herkommt. Du warst noch ein Kind, als sie hier lebte, und du wurdest damals nicht mit den härteren Tatsachen des Lebens konfrontiert.«
»Und welche Tatsachen meinen Sie damit?«
Gerald seufzte. »Hannibal Bodeen ist ein gefährlicher Mann, zweifellos krank. Solche Dinge vererben sich. Nun, ich empfinde großes Mitleid für das Kind, versteh mich richtig, aber es ist nun mal nicht zu ändern.«
»Wollen Sie damit sagen, >Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm?< Oder eher, >So wie man den Zweig biegt, so wächst er?<«
Irritiert blickte Gerald ihn an. »Beides würde passen. Victoria Bodeen lebte zu lange in seinem Haus und unter seiner Hand, um nicht davon betroffen zu sein.«
»Unter seiner Hand?«, sagte Cade vorsichtig.
»Im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Vor vielen Jahren kam Iris Mooney zu mir, Victorias Großmutter mütterlicherseits. Sie wollte den Bodeens das Sorgerecht für das Mädchen entziehen lassen. Sie sagte, Bodeen würde das Kind schlagen.«
»Sie wollte Sie engagieren?«
»Sie tat es. Sie hatte jedoch keinen Beweis für die Misshandlungen. Ich zweifle nicht daran, dass sie die Wahrheit gesagt hat, aber ...«
»Sie wussten, dass er sie prügelte und misshandelte, und Sie haben nichts unternommen?«, sagte Cade sehr ruhig.
»Das Gesetz ...«
»Vergessen Sie das Gesetz.« Er stand auf und fuhr in dem gleichen kalten
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