Lilien im Sommerwind
darüber nachzudenken. Jetzt wurde ihre Wut einen Moment lang von dem alten Bild eines dürren Mannes mit blonden Haaren überdeckt, der nach Alkohol roch und ihr heimlich Pfefferminzbonbons zusteckte.
Dürr war er immer noch, stellte Tory fest, aber Alter und Alkohol hatten sein Gesicht verwüstet. Es war rot und faltig, und das Haar war so schütter geworden, dass seine alte graue Kappe es fast vollkommen verdeckte.
»Ich weiß noch, dass Sie mir immer Süßigkeiten gegeben haben, und Sie haben auf dem Feld neben dem meines Vaters gearbeitet.«
»Ja, das stimmt.« Piney lächelte und entblößte dabei braune, schadhafte Zähne. »Jetzt arbeite ich für den Studierten hier. Zahlt besser. Ich mache mich jetzt mal auf. Bis morgen dann, Boss.«
Er tippte an seine Kappe, dann zog er ein Pfefferminz aus der Tasche und reichte es Tory. »Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie die immer am liebsten gemocht.«
»Ich mag sie heute noch gern. Danke.«
»Es hat ihm gefallen, dass du dich an ihn erinnert hast«, sagte Cade, während Piney über das Feld auf die Straße zuging.
»Mein Vater hat ihm immer Vorträge darüber gehalten, dass Whiskey von Übel sei, aber ungefähr einmal im Monat haben sie sich zusammen betrunken. Am nächsten Tag arbeitete Piney dann wieder wie immer auf dem Feld. Und mein Vater brüllte ihm wie immer über die Furchen hinweg seine Vorträge ins Ohr.«
Kopfschüttelnd drehte sich Tory zu Cade um. »Ich habe nicht hier angehalten, um in Erinnerungen zu schwelgen. Was denkst du dir eigentlich dabei, deinem Freund Dwight zu erzählen, wir seien zusammen?«
»Ich bin nicht sicher ...«
»Wir sind nicht zusammen!«
Cade zog eine Augenbraue hoch, nahm seine Sonnenbrille ab und hängte sie an einem Bügel in sein Hemd.
»Nun, Tory, doch, das sind wir. Im Moment stehst du direkt neben mir.«
»Du weißt ganz gut, was ich meine. Wir haben keine Verabredungen.«
Cade lächelte nicht, obwohl er es gern getan hätte. Stattdessen kratzte er sich am Kopf und sah sie nachdenklich an. »Wir sind in den letzten zehn Tagen viermal miteinander ausgegangen. Und meiner Meinung nach ist es eine Verabredung, wenn ein Mann und eine Frau miteinander essen gehen.«
»Da irrst du dich. Wir haben keine Verabredungen, also stell das bitte bei deinen Freunden richtig.«
»Ja.«
»Grins mich nicht so an.« Drei Krähen mit glänzendem Gefieder hockten sich nicht weit von ihnen entfernt aufs Feld. »Und selbst wenn du es so gesehen hast, so hattest du kein Recht dazu, Dwight zu erzählen, wir seien zusammen. Er hat es sofort Lissy weitererzählt, und jetzt hat sich in ihrem erbsengroßen Hirn festgesetzt, wir hätten eine wilde Affäre miteinander. Ich will nicht, dass die Leute hier glauben, ich sei dein neuester Flirt.«
»Mein neuester?« Er hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans. Was seine Unterhaltung anging, so war das bestimmt das Highlight des heutigen Tages. »Wie viele Flirts habe ich denn deiner Meinung nach gehabt?«
»Das interessiert mich nicht.«
»Du hast mit dem Thema angefangen«, erinnerte er sie und sah mit Vergnügen, wie sie wütend wurde.
»Du hast schließlich Dwight erzählt, wir seien zusammen!«
»Nein, habe ich nicht. Und ich verstehe nicht...« Da fiel es ihm wieder ein. »Oh, ja, hmmm ...«
»Siehst du!« Triumphierend streckte Tory den Zeigefinger aus. »Du bist schließlich ein erwachsener Mann und solltest über solche jungenhaften Angebereien hinaus sein.«
»Es war ein Missverständnis.« Und zwar seiner Meinung nach ein faszinierendes. »Lissy versucht ständig, mich unter die Haube zu bringen. Sie kann es anscheinend nicht ertragen, dass ein ungebundener Mann noch frei herumläuft. Sie geht mir furchtbar auf die Nerven damit. Als das Thema das letzte Mal aufkam, habe ich Dwight gesagt, er solle ihr erzählen, ich hätte mit irgendjemandem eine heiße Affäre, um sie mir vom Hals zu halten.«
»Eine Affäre mit mir?« Tory wunderte sich, dass sie kein Feuer spuckte. »Warum zum ...«
»Dich habe ich gar nicht erwähnt«, unterbrach Cade sie. »Wahrscheinlich hat Dwight dich nur ins Spiel gebracht, weil wir uns in deinem Laden unterhalten haben. Wenn du jemanden fertig machen willst, dann tu es, aber ich persönlich verstehe nicht, worüber du dich eigentlich aufregst. Wir leben beide allein, wir sehen einander - jetzt gerade auch, Tory«, fügte er hinzu, bevor sie ihm widersprechen konnte. »Und wenn Lissy denkt, wir hätten was miteinander, was ist denn daran so
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