Lilien im Sommerwind
die Augen fest geschlossen. Ihre Gedankenlosigkeit quälte sie. Einen Moment lang saß sie da und schaukelte hin und her, um sich zu trösten, dann aber sprang sie auf und rannte die Treppe hinunter. Doch sie hörte nur noch, wie die Haustür zuschlug.
»Es tut mir Leid«, murmelte sie und setzte sich auf den Treppenabsatz. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich habe es nicht so gemeint. Bitte hasse mich nicht.« Sie ließ den Kopf auf die Knie sinken. »Ich hasse mich ja selbst schon.«
»Ich hoffe, du entschuldigst das Benehmen meiner Kinder, Gerald.« Margaret rauschte in den Salon, in dem ihr alter Freund wartete.
Wenn meine Kinder noch unter meinem Dach lebten, würde es solche Ausbrüche nicht geben, dachte er. Aber seine Töchter waren ja auch so erzogen worden, dass sie sich immer und überall wie Damen benahmen.
Trotzdem schenkte er Margaret ein mitfühlendes Lächeln. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Margaret. Sie sind eben lebhaft.« Er ergriff das Sherry glas, das sie abgestellt hatte, als sie nach oben gegangen war, und reichte es ihr.
Leise Musik erklang. Bach. Ein Lieblingskomponist von ihnen beiden. Gerald hatte ihr Rosen mitgebracht, wie immer, und Margaret hatte sie schon in einer Vase auf den Flügel gestellt.
Das Zimmer mit seinen bequemen blauen Sofas und dem alten, polierten Holz war gemütlich, friedlich und genauso, wie Margaret es verlangte. Auf dem Flügel spielte selten jemand, dennoch wurde er regelmäßig gestimmt. Es war ihr Wunsch gewesen, dass ihre beiden Töchter Klavier spielen lernten, aber sie war enttäuscht worden.
In diesem Zimmer gab es keine Familienfotos. Jedes Erinnerungsstück war sorgfältig auf die Einrichtung abgestimmt, sodass sich Ererbtes nahtlos mit ihren eigenen Erwerbungen verband.
Es war kein Zimmer, in dem ein Mann seine Stiefel auf den Tisch legen oder ein Kind auf dem Teppich spielen konnte.
»Lebhaft«, wiederholte sie. »Es ist nett von dir, dass du es so bezeichnest.« Margaret trat ans Fenster und sah Cades Wagen nach, der die Auffahrt hinunterfuhr. Unzufriedenheit nagte an ihr. »Leider ist es keineswegs Lebhaftigkeit.«
»Unsere Kinder werden erwachsen, Margaret.«
»Manche.«
Einen Moment lang schwieg er. Er wusste, dass das Thema Hope für sie nie leicht war. Und da er es lieber leicht hatte, tat er so, als hätte er nichts gesagt.
Er kannte sie seit fünfunddreißig Jahren, und früher einmal hatte er sie umworben. Doch sie hatte Jasper Lavelle gewählt, der reicher war und blaueres Blut gehabt hatte. Es hatte Gerald nicht besonders viel ausgemacht - jedenfalls sah er es gern so.
Damals, als junger Anwalt, war er ehrgeizig gewesen. Er hatte selbst gut geheiratet, zwei Kinder großgezogen, und war nun seit fünf Jahren aufs Angenehmste verwitwet.
Wie seine alte Freundin zog er den Witwerstand der Ehe vor. Er erforderte so viel weniger an Zeit und Energie!
Gerald ging auf die Sechzig zu, war groß, und seine buschigen, schwarzen Augenbrauen, die sich wie zerrupfte Federn in seinem ansonsten würdigen, eckigen Gesicht aufschwangen, verliehen ihm ein dramatisches Aussehen.
Das Gesetz mit all seinen Facetten war sein Leben, und damit hatte er sich einen geachteten Platz in der Gemeinde gesichert.
Er war gern mit Margaret zusammen. Sie genossen ihre Diskussionen über Kunst und Literatur, und er war ihr ständiger Begleiter bei allen Ereignissen und Anlässen. Mehr als einen kühlen Kuss auf die Wange hatten sie jedoch nie ausgetauscht.
Was den Sex anging, so griff er auf junge Prostituierte zurück, die sexuelle Fantasien gegen Bargeld erfüllten und namenlos blieben.
Er war ein gesetzestreuer Republikaner, ein gläubiger Baptist. Seine sexuellen Abenteuer betrachtete er als eine Art Hobby. Schließlich spielte er ja nicht Golf.
»Ich glaube, ich bin heute Abend keine gute Gesellschaft, Gerald.«
Er war auch ein Mann mit festen Gewohnheiten. Heute war der Abend in der Woche, an dem sie immer gemeinsam in Beaux Reves aßen. Anschließend gab es Kaffee und eine angenehme halbe Stunde im Garten.
»Wir sind zu lange miteinander befreundet, als dass du dir darüber Gedanken machen solltest.«
»Ich kann wirklich einen Freund gebrauchen! Ich habe mich aufgeregt, Gerald. Victoria Bodeen ... Ich hatte gehofft, ich könnte damit fertig werden, dass sie wieder nach Progress zurückgekehrt ist. Aber jetzt habe ich erfahren, dass Cade sich mit ihr trifft.«
»Er ist ein erwachsener Mann, Margaret.«
»Er ist mein Sohn.« Sie drehte sich
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