Lilien im Sommerwind
deinen Träumen vielleicht.«
»Ja, aber es sind meine Träume, oder? Warum bist du eigentlich nicht zu Hause und wäschst dir vor dem Abendessen die Hände wie ein artiger Junge?«
»Lissy hat einen Haufen Frauen da, die sich Tupper- ware oder so was ansehen wollen. Ich halte mich da heraus.«
»Es geht um Make-up.« Wade schloss die Schranktür. »Meine Mutter geht auch hin.«
»Was auch immer. Meine Frau braucht eigentlich keine Farbtöpfe oder Plastikschüsseln mehr, aber sie langweilt sich zu Tode, wenn sie schwanger ist. Was hältst du von einem Bier und was zu essen? Wie in alten Zeiten ...«
»Ich muss hier noch etwas erledigen.« Faith könnte vorbeikommen.
»Komm schon, Wade. Nur zwei Stunden.«
Er wollte schon wieder ablehnen. Was war eigentlich los mit ihm, dass er sich in seiner Wohnung einschioss und darauf wartete, dass Faith anrief? Wie bei einem Teenager, der einen Football-Star anschwärmte. Schlimmer sogar.
»Du bezahlst.«
»Mist.« Vergnügt sprang Dwight vom Tisch. »Komm, wir rufen Cade an. Dann kann er alles bezahlen.«
»Das ist eine gute Idee.«
15
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie nervös sein würde. Sie war gut vorbereitet und hatte jedes Detail wieder und wieder überprüft, bis hin zur Farbe der Kordel, mit der sie die Schachteln umwickelte. Sie hatte Erfahrung und kannte jedes einzelne Stück ebenso gut wie die Künstler oder Handwerker, die es gefertigt hatten.
Jeden Schritt auf dem Weg zu ihrem eigenen Laden hatte sie besonnen und ruhig geplant und durchgeführt. Es gab keine Fehler, keine Lücken, keinen Makel.
Der Laden wirkte einladend und hell. Sie selbst wirkte professionell und effizient. So sollte es auch sein, schließlich hatte sie die Stunde zwischen drei und vier Uhr morgens damit zugebracht, darüber nachzudenken, was sie anziehen sollte. Schließlich hatte sie sich für eine dunkelblaue Hose und ein weißes Leinenhemd entschieden.
Und jetzt überlegte Tory schon wieder, ob das nicht zu sehr nach einer Uniform aussah.
Bis zur Eröffnung war es nur noch eine knappe Stunde, und all das Lampenfieber, das sie monatelang erfolgreich unterdrückt hatte, überwältigte sie auf einmal.
Sie saß im Lagerraum an ihrem Schreibtisch und hatte den Kopf zwischen die Knie gesteckt.
Ihre Nervosität ärgerte und beschämte sie. Sie war doch stark! Sie musste es einfach sein. Sie war schließlich nicht so weit gekommen, um kurz vor dem Ziel zusammenzubrechen!
Sie würden kommen. Da machte sie sich gar keine Sorgen. Sie würden kommen und gaffen und ihr die raschen, verstohlenen Blicke zuwerfen, an die sie sich schon gewöhnt hatte.
Die kleine Bodeen. Du erinnerst dich doch noch an sie. Seltsames kleines Ding.
Es musste ihr egal sein. Aber es war ihr nicht egal. Sie war wahnsinnig gewesen, wieder hierher zurückzukommen, wo jeder sie kannte, wo es keine Geheimnisse gab. Warum war sie nicht in Charleston geblieben, wo sie in Ruhe und völlig zurückgezogen hatte leben können?
Verzweifelt sehnte Tory sich in ihr hübsches, vertrautes Haus, den ordentlichen Garten und den anstrengenden, aber unpersönlichen Job im Laden eines anderen zurück. Sie sehnte sich nach der Anonymität, in die sie sich vier Jahre lang wie in einen Umhang gehüllt hatte.
Sie hätte nie zurückkommen dürfen. Sie hätte sich selbst, ihre Ersparnisse, ihren Seelenfrieden nie aufs Spiel setzen dürfen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
Ich habe an Hope gedacht, gestand sie sich ein und hob langsam den Kopf. Ich habe an Hope gedacht.
Albern und dumm. Hope war tot, und sie konnte nichts daran ändern. Und jetzt stand alles, wofür sie gearbeitet hatte, auf dem Spiel. Und um es zu erhalten, würde sie die Blicke und das Geflüster eben ertragen müssen.
Als es an der Tür klopfte, wäre sie zuerst am liebsten unter den Schreibtisch gekrochen und hätte sich die Ohren zugehalten. Doch dann sprang sie auf.
Es blieben ihr noch dreißig Minuten bis zur Eröffnung, dreißig kostbare Minuten, um wieder zu sich zu kommen. Wer auch immer vor der Tür stand, würde eben wieder gehen müssen.
Tory straffte die Schultern, fuhr sich mit der Hand über die Haare und ging hinaus, um den frühen Besuchern zu sagen, sie sollten um zehn wiederkommen.
Als sie auf der anderen Seite der Glastür das Gesicht ihrer Großmutter erblickte, öffnete sie hastig. »O Gran! Oh.« Sie schlang die Arme um Iris und klammerte sich an sie wie an einen Rettungsanker. »Ich bin so froh, dass du da bist! Ich habe
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