Lilientraeume
ist es«, ging Ryder dazwischen. »Wie oft muss sie es noch sagen?« Er wandte sich zum Gehen, warf aber einen letzten Blick zurück. »Das Zimmer sieht echt gut aus.« Damit war er zur Tür hinaus.
»Ich hab sie wirklich und wahrhaftig gesehen.« Owen konnte sich gar nicht beruhigen. »Das war echt cool. Vor allem ihr Lächeln.«
Wahnsinn, dachte auch Hope. Ein echter Geist, der sich ihnen gezeigt hatte. Ihr und Owen. Allerdings war sie nicht wegen Lizzy so plötzlich erstarrt, sondern wegen Ryder Montgomery, der da so lässig in der Tür lehnte. Schlagartig hatte eine bittersüße Mischung aus Freude, Schmerz und Sehnsucht sie erfasst. So mächtig, dass ihre Knie weich geworden waren.
Nun, sobald sie hier wohnte, würde sie vermutlich noch jede Menge Gelegenheit bekommen, der Sache auf den Grund zu gehen. Und herauszufinden, was es mit Lizzy und mit Ryder und ihrer völlig unerwarteten und für sie befremdlichen Reaktion auf sich hatte.
7
Ihr Leben war ein einziges Chaos, aber daran war sie selbst schuld.
Umgeben von Kartons, von Stapeln bunten Geschenkpapiers, von Rollen mit Bändern und Schleifen saß Avery auf dem Boden ihres Arbeitszimmers.
Es war der totale Wahnsinn. Jahr für Jahr nahm sie sich vor, es in Zukunft besser zu machen. Rechtzeitig eine Liste anzulegen und nicht erst auf den letzten Drücker einkaufen zu gehen. Und Geschenkpapier, Bänder und Karten zu besorgen, bevor alles ausverkauft war. Jedes Mal beschloss sie, Einkauf und Verpacken der Geschenke besser zu organisieren. So wie eine vernünftige Erwachsene es tun würde.
Und das nahm sie sich auch an diesem Abend vor. Auf jeden Fall fürs nächste Jahr.
Es war ja nicht so, dass es ihr an Organisationstalent fehlte. Das nicht, nur schien sie das komplett für ihre Pizzeria zu verbrauchen. Für ihren Haushalt und ihr Privatleben blieb da nichts übrig. Deshalb wühlte sie wie immer drei Tage vor Weihnachten zwischen Bändern und Geschenkkartons herum, brach in Panik aus, sobald sie etwas nicht finden konnte, und war bereits nach kurzer Zeit vollkommen erschöpft.
Trotzdem liebte sie Weihnachten. Die Musik, die andere gegen Ende der Adventszeit schon nicht mehr hören konnten, ebenso wie die kitschigen bunten Dekorationen und Lichter, die Farben und Gerüche – einfach alles, was zu Weihnachten gehörte.
Im Prinzip liebte sie auch das Aussuchen und Einpacken von Geschenken, und es verschaffte ihr eine große Befriedigung, wenn sich endlich hübsche bunte Kartons in einer Ecke stapelten. In diesem Jahr hatte sie es zumindest geschafft, nicht alles bis auf den allerletzten Tag zu verschieben. Drei Tage blieben ihr noch, und sie würde heute Abend alles ordentlich verpackt haben.
Oder spätestens morgen.
Sie wippte im Takt von Springsteens »Santa Claus is Coming to Town«, schnitt sorgfältig das nächste Stück Geschenkpapier zurecht und wickelte die Schatulle mit den Ohrringen für Hope darin ein. Zum Schluss eine rote Schleife und ein Namensschildchen: fertig.
Der Gedanke an die Freundin verursachte ihr ein schlechtes Gewissen. Hope würde nie ein solches Chaos veranstalten. Bei ihr war alles geordnet und durchorganisiert. Bestimmt beschriftete sie sogar die Kartons mit Weihnachtspapier und Bändern. Hatte sicher was für sich, dachte Avery. Trotzdem war sie sichtlich mit sich zufrieden, als sie den wachsenden Geschenkestapel betrachtete. Vielleicht ließ ihre Organisation ja zu wünschen übrig, aber, bei Gott, ihre Päckchen sahen wunderschön aus.
Sie zog an dem Tesafilm – und hielt das letzte Stück in der Hand. »Verdammt.«
Kein Problem, sagte sie sich. Schließlich hatte sie genügend Ersatzrollen gekauft. Da war sie sich ganz sicher.
Nach einer gründlichen Durchsuchung der gesamten Wohnung, verbunden mit zunehmendem Frust und zahlreichen Verwünschungen, musste sie sich eingestehen, dass sie offenbar bloß Tesafilm hatte besorgen wollen.
Trotzdem kein Grund zur Panik, dann musste sie eben noch mal los. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und fluchte erneut. Zu spät. Um diese Zeit konnte man in Boonsboro nichts mehr kaufen. Vielleicht, überlegte Avery, zog es deshalb so viele Leute nach New York oder in andere große Städte, weil man dort zu jeder Tages- und Nachtzeit Tesafilm kaufen konnte. Oder was einem sonst urplötzlich ausging.
Was jetzt?
Sie durchwühlte nochmals alle Schubladen, Kisten und Schränke, obwohl sie eigentlich wusste, dass es vergeblich war. Das Einzige, was bei der Suchaktion zum Vorschein kam,
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