Lilienzucht (German Edition)
lächelnd, „so schlimm ist das doch nun auch nicht. Sieh mal, wenn ich keine zusätzlichen Schreibarbeiten hätte, gäbe es etliche Tage, an denen ich hier wahrscheinlich vor Langeweile eingehen würde.“
„Mag sein“, gibt Mr. Sanders widerwillig zu, „aber erstens wirst du kaum dafür bezahlt und zweitens hat diese kleine Schlange es heute wirklich übertrieben.“
Josie holt zischend Luft. „Carl!“, entfährt es ihr leicht entsetzt. „Bitte! Miss Carter hat ganz sicher ihre Fehler und Schwächen, aber das ist doch kein Grund, unter die Gürtellinie zu gehen. Sie ist doch auch nur ein Mensch.“
„Du würdest wahrscheinlich nicht so reden, wenn du all ihr Getratsche mitbekommen würdest. Im Übrigen bin ich mir ziemlich sicher, dass sie versucht, hier fiese Intrigen zu spinnen. Durchaus auch gegen dich.“
Josie lacht leise. „Ich weiß , dass sie eine fürchterliche Tratschtante ist ... und, ehrlich gesagt, nervt es mich auch ein bisschen. Aber ich denke, dass es ziemlich unerheblich ist, ob sie versucht, hinter den Kulissen die Fäden in die Hand zu bekommen; Mr. Steward ist ein gescheiter Mann und er wird sich von ihr nicht unangemessen beeinflussen lassen. Ich denke, er hat sie längst durchschaut ... und im Grunde ist sie nicht wirklich gehässig.“
„Nein, wahrscheinlich will sie nur spielen.“, wirft Carl sarkastisch ein. „Wie ein niedlicher, kleiner Pitbull.“
„Ich glaube eher, dass sie unsicher ist und ständig Angst um ihren Job hat.“, kontert Josie trocken. „Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sich das irgendwann legt.“
„Deinen Optimismus möchte ich haben.“, meint Carl kopfschüttelnd. „Tu, was du für richtig hältst. – Aber lass dich von ihr nicht zu sehr ausnutzen!“
„Gut, das werde ich.“, gibt Josie lachend zurück.
Ein bisschen skeptisch macht sich ihr Kollege wieder auf den Rückweg in sein Büro. Kaum ist er außer Sichtweite, reißt jemand die Eingangstür auf und stürmt atemlos herein. Josie muss unwillkürlich grinsen und schafft es gerade noch, ihre Kollegin zu bremsen, bevor sie an ihr vorbei hetzen kann. Lächelnd wedelt sie mit dem Ordner, den ihr Mr. Sanders anvertraut hat.
„Hallo, Flora. Gibst du das bitte Mr. Steward?“, sagt sie freundlich.
„Was ist das?“, fragt Flora ein bisschen missmutig.
Josie zuckt leicht mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Mr. Sanders hat es vor einer Minute hier abgegeben. Es scheint wichtig zu sein, Mr. Steward sollte es spätestens morgen auf dem Schreibtisch zur Überprüfung haben.“
„Na gut.“, seufzt Flora und nimmt die Papiere entgegen.
„Alles in Ordnung?“, hakt Josie vorsichtig nach.
Flora seufzt noch einmal tief. „Ja, schon. Ich wünschte nur, diese Hetzerei hätte endlich ein Ende. Der Verkehr da draußen macht es auch nicht besser.“
„Da sagst du was!“, stimmt Josie mit einem schrägen Grinsen zu. „Man fragt sich langsam, ob heute alle ihren verrückten Tag haben. Na ja, irgendwann geht auch das vorbei.“
„Ja, Gott sei Dank!“, meint Flora und grinst nun auch. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich auf den Feierabend freue.“
„Oh, ich denke, damit bist du heute nicht allein.“, lacht Josie.
„Vermutlich.“, meint ihre Kollegin noch, dann macht sie sich eilig auf den Weg in ihr Vorzimmer.
Kopfschüttelnd wirft sie einen Blick auf ihre Telefonanlage, nur um erstaunt festzustellen, dass hier immer noch eine fast schon unheimliche Ruhe herrscht. Wieder schweifen ihre Gedanken ab.
In den letzten Tagen hat Victor sie regelmäßig morgens vor und abends nach der Arbeit angerufen, meist um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und ein wenig zu plaudern. Obwohl die meisten dieser Telefonate nur kurz waren, kamen sie ihr ausgesprochen herzlich vor und haben ihr ein angenehmes Gefühl von Geborgenheit vermittelt. Sie muss zugeben, dass sie diese Gespräche und seine fast schon als fürsorglich zu bezeichnende Art mehr genossen hat, als sie bisher vor sich selbst zugegeben hat.
Josie seufzt leise.
Ein wohlbekanntes Glockenspiel aus ihrem Handy reißt sie erneut aus ihren Gedanken und lässt sie leicht zusammenzucken. Hastig holt sie es hervor und nimmt das Gespräch an, während ihr Blick viel zu auffällig die Umgebung mustert. Leider muss sie feststellen, dass die Gefahr zufälliger Mithörer zu groß ist und so meldet sie sich einfach mit einem fragenden „Ja?“ am Telefon.
„Eigentlich ist das keine angemessene Begrüßung“,
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