Lilienzucht (German Edition)
lachen, als sie Marys deutlich schuldbewusstes Gesicht erblickt. „So schlimm war das nun auch wieder nicht“, sagt sie und Mary fragt sich unwillkürlich, ob sie nun das mit dem BH oder die Sache mit der Intimreinigung meint. „Ich habe auch ein paar üble Kratzer an den Schultern und am Rücken, vermutlich genau da, wo der Büstenhalter normalerweise sitzt. Ich denke, es wird ohnehin besser sein, zunächst mal keinen zu tragen.“
Mit Marys Hilfe beginnt sie nun nach dem Slip, eine weite, beigefarbene Hose aus weicher Wildseide, eine kurzärmelige Seidenbluse in der gleichen Farbe und darüber ein Kaschmir-Stickjäckchen in Apricot anzuziehen. Als sie fertig ist, will sie zum Fenster gehen, doch Mary erinnert sie daran, dass sie das besser nicht tun sollte ... und Josie ist mit einem Schlag die Sorge um den Hausherrn wieder ins Gesicht geschrieben.
Seufzend presst sie die Lippen aufeinander.
„Machen Sie sich nicht so viele Gedanken“, versucht Mary sie zu trösten und fügt mit einem kurzen Blick auf die Uhr hinzu: „wenn etwas schief gegangen wäre, hätten wir vermutlich schon etwas gehört. Wahrscheinlich sitzt er beim Yard, damit sie seine Aussage aufnehmen. Das kann noch etwas dauern.“
„Sie vergessen, dass ich diese Burschen belauscht habe. Wenn die mit den eigenen Leuten schon so umgehen, was machen sie dann mit ihren Widersachern?“, merkt Josie sichtlich nervös an. Plötzlich sieht sie Mary forschend an. „Macht er das eigentlich häufiger?“
„Was?“, fragt Mary verständnislos zurück.
„Verbrecher hochnehmen.“
Mary druckst einen Moment herum, entschließt sich jedoch dann für die Wahrheit, zumindest die, die nicht geheim ist. „Na ja“, sagt sie, „schon ... irgendwie. Allerdings ist das meistens nicht so dramatisch wie dieses Mal. Bei Weitem nicht.“
„Aha.“, macht Josie und ist verblüfft, dass es sie längst nicht so überrascht, wie sie gedacht hätte. „Die Frage ist nur, ob mich das jetzt beruhigen oder beunruhigen sollte...“
Bange Stunden des Wartens beginnen nun und obwohl Mary ihr Möglichstes gibt, den Gast abzulenken, kann Josie nicht verhindern, dass ihre Fantasie zwischendurch immer wieder mit ihr durchgeht und ihr die schrecklichsten Szenarien in den immer noch leicht schmerzenden Kopf pflanzt. Als schließlich auf dem Flur vom dicken Teppich gedämpfte Schritte zu hören sind, die sich der Tür nähern, zuckt sie derart heftig zusammen, dass Mary allein davon einen gehörigen Schrecken bekommt.
Ein kurzes, konzentriertes Horchen später lacht sie jedoch erleichtert auf.
„Nur die Ruhe, Mylady.“, verkündet sie gut gelaunt. „Ich müsste mich schon sehr irren, wenn das nicht Jeffreys Schritte sind.“
Josie atmet ein wenig auf, starrt jedoch trotzdem wie ein verschrecktes Reh auf die Tür, vor Spannung unwillkürlich die Luft anhaltend, als sich kurz darauf der Schlüssel im Schloss dreht und die Klinke sich nach unten bewegt.
5 Ein ziemlich spezielles Hobby
Als Sekunden später ein breit grinsender Jeffrey gut gelaunt im Türrahmen steht und mit einem viel zu vergnügten Grinsen im Gesicht verkündet, dass Lord Croydon wohlbehalten wieder heimgekehrt sei, kann man förmlich hören, welch großer Stein Josephine vom Herzen fällt. Allerdings ist ihre Erleichterung nicht ganz ungetrübt, denn der leicht lädierte Mann vor ihr, von dem sie mittlerweile, Dank Mary, weiß, dass er auch der Butler des Hauses ist, hat nicht nur einige deutlich sichtbare Kratzer im Gesicht und an den Händen, sondern kann auch nicht mehr als besonders sauber bezeichnet werden. Außerdem weist seine Livree an den Ärmeln einige kleinere Risse auf und am Revers fehlt einer der Knöpfe.
Mary verdreht bei seinem Anblick und in Anbetracht seines geradezu spitzbübischen Grinsens kopfschüttelnd die Augen, was die Lady neben ihr jedoch nicht mitbekommt, denn sie ist mehr damit beschäftigt, sich Sorgen darüber zu machen, wie dann wohl Lord Croydon aussehen mag. Vor allem, wenn sie in Betracht zieht, dass er nicht persönlich erschienen ist...
Entschlossen strafft sie die Schultern und blickt Jeffrey fest in die Augen.
„Ist es in Ordnung, wenn ich mich selbst davon überzeuge?“, fragt sie so sachlich wie möglich.
„Aber natürlich, Mylady.“, antwortet Jeffrey und verbeugt sich grinsend; anscheinend hat Josies Frage seine Laune sogar noch eine Spur verbessert.
Josie ist ein bisschen irritiert, doch sie lässt sich nicht die Zeit, sich darüber den Kopf
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