Lilienzucht (German Edition)
leicht ironischem Grinsen fügt er noch hinzu: „Ich bin ja auch ziemlich damit beschäftigt, Verbrecherbanden auffliegen zu lassen.“
Josie schüttelt grinsend den Kopf und schließt kurz die Augen, um den feinen, blumigen Duft des Tees in vollen Zügen zu genießen und dann das Aroma mit ein paar kleinen Schlucken auf ihrer Zunge zur vollen Entfaltung zu bringen.
Lächelnd beobachtet der Earl, wie sie so ganz und gar in diesem Genuss zu schwelgen und die Welt um sich herum für einen kleinen, seligen Augenblick völlig zu vergessen scheint. Als sie aus ihrer kleinen Versenkung wieder auftaucht und sich zufrieden seufzend in den Sessel zurücklehnt, mustert er sie noch eine Weile eindringlich, bevor er schließlich seine Tasse abstellt, ihr intensiv in die Augen schaut und ein Mal tief durchatmet.
„Im Ernst“, sagt er, „dass ich ziemlich beschäftigt damit bin, Verbrecherbanden zur Strecke zu bringen, ist weit weniger übertrieben, als es vielleicht gerade den Anschein hatte.“
Josie bedenkt erst ihn mit einem fragenden Blick, dann Jeffrey, dessen Augen plötzlich irgendwie alarmiert aussehen, jedenfalls wirkt der Butler alles andere als begeistert von Lord Croydons Aussage. Verwirrt schaut sie wieder zu ihrem Gastgeber, der sich darauf leise seufzend dem Butler zuwendet.
„Nein, Jeffrey“, sagt er ruhig, „ich denke, es ist in Ordnung. – Ich habe die halbe Nacht darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Lady Josephine erstens ein Recht hat, wenigstens über die groben Hintergründe des gestrigen Abends aufgeklärt zu werden und dass sie zweitens vertrauenswürdig genug ist, um von der Existenz des Clubs zu erfahren.“
„Club?!“, flüstert Josie verständnislos.
„Richtig, Lady Josephine. Im Prinzip ist es ein Club wie hunderte andere in England ... unter anderem. Nur dass die Mitglieder des Royal Tea Clubs sich mitunter mit vollkommen anderen Dingen beschäftigen als Tee zu verkosten oder eine gepflegte Zigarre und guten Whiskey zur ebenso gepflegten Konversation zu genießen. Im Auftrag der Königin übernehmen wir ab und an die Aufgaben einer besonders diskreten Detektei. In früheren Zeiten diente unsere Arbeit meist dazu, gesellschaftliche Skandale zu vertuschen und Kapitalverbrecher aus hochgestellten Kreisen ohne Aufsehen dingfest zu machen und sie der direkten Gerichtsbarkeit des Königs oder der Königin zuzuführen. Natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Heute hingegen dient unsere Arbeit in erster Linie dazu, den Yard bei seinen Ermittlungen zu unterstützen, wenn die Polizei bei Nachforschungen in adeligen Kreisen nicht weiter kommt oder der Yard Hilfe braucht, um in höheren gesellschaftlichen Kreisen zu ermitteln.“
„M-hm...“, macht Josie nachdenklich; man hat beinahe den Eindruck, dass ihr Blick wie gefesselt an den Lippen des Earls hängt.
„Normalerweise ist unser Dienst an der Krone allerdings eher unspektakulär. Dass wir direkt in die Fälle verwickelt werden, kommt nicht allzu häufig vor und es sind auch nicht alle Gentlemen vom Club gleich stark in die Aktivitäten eingebunden. Das hängt auch immer davon ab, wie viel Zeit die jeweiligen Herren für die Ermittlungen aufbringen können.“
„Vielleicht sollte man dabei nicht unerwähnt lassen, dass Mylord derzeit sicher eines der wichtigsten und aktivsten Mitglieder des Royal Tea Clubs ist.“, wirft Jeffrey ungefragt ein.
Victor Croydon winkt ein wenig unwirsch ab. „Jeffrey!“ sagt er müde. „So kann man das auch nicht sagen.“
„Ich finde schon.“, widerspricht der Butler leise, verzichtet jedoch auf weitere Kommentare.
Der Earl wendet sich wieder Josie zu und fährt mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen fort zu berichten.
„Jedenfalls ist dieses Mal alles ein wenig dramatischer verlaufen. Diesmal ging es um Kinderhandel und illegale Adoptionen. Die Kinder wurden zum Teil in wohlhabende, meist adelige Familien ohne eigene Nachkommen vermittelt und ein nicht unbeträchtlicher Teil der kriminellen Bande gehört ebenfalls adeligen Kreisen an, z.B. Baron Honeycutt, wie Sie ja am eigenen Leib erfahren haben. – Nun wäre das mit den illegalen Adoptionen zwar perfide, aber noch nicht unbedingt unverzeihlich gewesen, auch wenn die Kinder teils aus ihren Familien entführt wurden und alles andere als Waisen waren, aber dieser Kindlerhändlerring hat auch Kinder an Bordelle und Organhändler verscherbelt.“ Angewidert verzieht er den Mund. „Diese Kinder waren
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