Lilienzucht (German Edition)
viele hast du denn gemacht?“
Josie überlegt einen Moment, dann tippt sie „Weiß nicht, mindestens 10“ ein.
Diesmal dauert es ein wenig länger, bis die Antwort kommt.
„Oh!“, kann sie schließlich auf dem kleinen Bildschirm lesen. „Gute Arbeit jedenfalls, Kleines. Ich melde mich wieder.“
Josie schickt noch ein „Bis dann. Ich freu mich.“, dann lässt sie sich rücklings wieder aufs Bett fallen. Mit einem Mal fühlt sie sich leicht und beschwingt wie schon lange nicht mehr. Eine Weile noch bleibt sie so liegen, das ungewohnte Gefühl von Lebendigkeit und unverhoffter Freiheit in vollen Zügen genießend und spürt, wie ihr Körper nach und nach ein wenig abkühlt.
Schließlich steht sie auf, geht zu dem großen, wuchtig gerahmten Ganzkörperspiegel und versucht es noch einmal mit ein paar Model-Posen, um dann lächelnd festzustellen, dass sie nackt gar nicht mal so schlecht aussieht...
12 Die Wäschekammer-Verschwörung
Den ganzen Donnerstag wartet Josie vergeblich auf eine Nachricht von Victor. Erst am Freitagnachmittag ertönt das inzwischen heiß ersehnte Glockenspiel wieder und reißt Josie aus ihren mittlerweile doch recht wirren Gedanken.
Innerhalb kürzester Zeit steigt ihr Adrenalinpegel in schwindelnde Höhen und ihr Herz hämmert in wildem Rhythmus von innen an ihren Brustkorb, als wolle es freigelassen werden. Josie atmet erst ein Mal tief durch, bevor sie das Gespräch annimmt.
„Einen schönen Nachmittag, Mylord.“, sagt sie so freundlich wie möglich, doch Victor entgeht keinesfalls der leichte Anflug von Missmut in der Stimme, den jeder unaufmerksame Zuhörer sicher überhört hätte.
„Oh, wie schön, du hast mich vermisst!“, schmunzelt er tief in ihr Ohr und schickt damit unerwünscht wohlige Schauer durch ihren Körper.
„Jaa.“, gibt sie schließlich gedehnt zu und seufzt tief.
„Gut“, meint Victor zufrieden, „das war ja auch der Zweck der Übung.“
Josie bleibt vor Empörung für einen Moment die Luft weg und eine unangenehm hitzige Welle von Ärger schwappt an die Oberfläche ihres hormongebeutelten Gemüts. Doch schon im nächsten Moment muss sie sich eingestehen, dass er nicht gesagt hatte, wann er wieder anrufen würde ... und dass sich außerdem nicht die ganze Welt nur um sie allein dreht... Es wäre ziemlich ungerecht, ihn für ihre eigene Ungeduld verantwortlich zu machen, auch wenn er es offenbar bewusst darauf angelegt hat.
Noch einmal seufzt sie, leiser diesmal.
„Du bist sehr, sehr süß Josie.“, konstatiert Victor amüsiert und lacht leise. „Ich kann dir quasi durchs Telefon beim Denken zusehen, du bist so zauberhaft arglos im Ausdruck deiner Gefühle.“
„Nenn mich doch gleich einfältig...“, murmelt Josie deprimiert und setzt dann – leicht erschrocken – ein leises „Mylord.“ hinzu.
„Manche mögen es vielleicht einfältig oder naiv nennen“, erklärt Victor ernst und mit unerwarteter Sanftheit in der Stimme, „aber das ist nicht der Punkt. Du bist weder dumm noch kann man dich so ohne weiteres übers Ohr hauen. Solch eine unschuldige Offenheit ist ziemlich selten geworden heutzutage. Eigentlich ist es eine große Gabe, seine Gefühle so offen zeigen zu können. Du solltest nur lernen, wem gegenüber du damit besser vorsichtig bist ... und wie du es anstellen kannst, dich zu schützen. – Gestern hast du schon einen ersten Schritt dahin gemacht. - War es das erste Mal, dass du deinen Bruder bewusst getäuscht hast?“
„Nein, eigentlich nicht“, seufzt Josie, „aber sonst hatte ich immer ein furchtbar schlechtes Gewissen dabei. – Vielleicht war das ja der Grund, warum ich dann meistens trotzdem aufgeflogen bin...“
„Das ist sogar ziemlich wahrscheinlich.“, meint Victor. „Bei aller Freundschaft zu Justin, ich käme niemals auch nur auf die Idee , ihm alles über mich zu erzählen. Einfach weil ich weiß, dass er nicht damit umgehen könnte, vermutlich würde er es nicht mal richtig verstehen. Jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. – So und nun schüttle die trüben Gedanken wieder ab, Kleines, und sei nicht beleidigt. Eigentlich wollte ich nämlich sogar erst morgen anrufen, aber ich muss zugeben, es macht mir ziemlich Spaß, mit dir zu spielen, mein kleines Ausziehpüppchen.“ Seine Stimme wird übergangslos härter. „Und bevor du wieder übermütig wirst, möchte ich doch sehr bitten, dass du wieder zur höflichen Anrede zurückkehrst, ... sonst ist demnächst doch noch eine Strafe
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